Wer hätte ahnen können, das selbst in einer so friedlichen Nacht, die Stille in der Luft zerissen wurde?
Man hörte einen lauten Knall, und ehe man sich versah, regnete es tausend kleine Glassplitter. Gäste, die am Fenster saßen,
wurden nach unten gerissen und lagen regungslos auf den Boden. Blut spritzte auf den Boden und verteilte sich über Tische und Stühle.
Noch mehr Schüsse fielen, und endlich schafften es Liam und Laurie auf den Boden. »Autsch.« rief Laurie, als sie mit ihrer Hand in mehrere Splitter fasste.
»Bist du verletzt?« rief Liam mit ernsten Gesicht und umfasste ihr Handgelenk. Beide saßen unter dem Tisch gekauert, während um sie die blanke Panik ausbrach.
Sie hielten sich an den Händen und hatten nur sich, und ihr Leben. Laurie schüttelte den Kopf. »N-Nein. Nichts ernstes. Und du?« Liam schüttelte den Kopf. »Wir müssen hier schnellstens raus, hörst du?«
Natürlich verstand Laurie. Sie wollte am liebsten sofort zurück, zurück in ihr Zimmer. Zurück zu den Anderen, und zu Adrian. Sie wollte sich vorwärts bewegen, doch stattdessen
begann sie am ganzen Leib zu zittern. »I-ich kann nicht...« brachte sie mühsam hervor und musste mit den Tränen kämpfen. Noch mehr Blut spritzte auf den Boden, und Schreie erschütterten das Gebäude. Laurie glaubte,
in der Ferne Sirenen der Polizei zu hören. Liam umfasste ihr Handgelenk fester. »Komm jetzt!« forderte er sie auf. »Wenn wir hier bleiben, werden wir sterben.« Das Wort sterben riss Laurie halbwegs aus ihrer Starre, und langsam begann sie
gemeinsam mit Liam, den Boden entlang zu kriechen; immer im Schutz der Tischbeine. Ein Wunder, das sie noch von keiner Kugel getroffen wurden. Der Weg hinter die Theke kam Beide unendlich lang vor. Schließlich schafften sie es, und ruhten sich erschöpft dahinter aus.
Laurie wollte aufschreien, als sie die Leiche des Mannes entdeckte, der noch wenige Minuten zuvor etwas in die Kasse getippt hatte. Stattdessen hielt sie sich den Mund zu und ließ ihren Tränen freien Lauf.
Liam zog sie sofort zu sich und strich über ihr Haar. »Schau nicht hin. Es wird alles wieder gut.« flüsterte er ihr beruhigend zu, während sie ihr Gesicht an seinen Körper vergrub. Ihre Finger krampften sich in sein Shirt.
Wieviel Zeit verging, konnte niemand sagen. Waren es nur ein paar Minuten oder mehrere Stunden? Liam saß einfach nur hinter der Theke gelehnt, während Laurie sich langsam beruhigte. Sie schluchzte ein paar Mal heftig, ehe sie leise atmete.
Sirenengeheul drang immer weiter an seinen Ohr. Er wollte allerdings nichts mit den Beamten zu tun haben. Sein Gefühl sagte ihm, er müsste hier schnell weg, zusammen mit Laurie. Sofort! »Wir müssen weiter. Raus nach draussen. Durch den Hintereingang.« flüsterte er Laurie zu, die langsam nickte.
Liam schob Laurie nach vorne, damit sie keinen Blick auf den Toten erhaschen konnte. Stattdessen drehte er sich ein letztes Mal um und sprach ein stilles Gebet. Sie kamen in die Küche, der sie verlassen vorfanden. Ein großer Topf kochte noch vor sich hin, Besteck und Messer lagen achtlos auf den Boden.
Liam überlegte, ob er eines der Messer mitnehmen sollte... schließlich konnte man nie wissen, was einen draussen noch erwartete. Doch er hatte keine Möglichkeit, es sicher zu verstauen. Beide öffneten eine andere Tür am Ende des Raumes. Dahinter war es nur spärlich beleuchtet, so das man sich an der Wand entlang tasten musste.
Liam ging vorraus, während Laurie sich an seinen Arm festhielt. Keiner sagte ein Wort, nur das unregelmäßige atmen der jungen Frau war zu hören. Noch immer tanzen Bilder von dem toten Mann in ihren Gedanken herum. Die Schüsse empfand sie dabei noch nicht einmal als furchteinregend, auch wenn sie ein leichtes Fiepen im Ohr spürte.
Der Weg bis zum Hintereingang erschien ihnen ewig, doch als Liam eine Türklinke zu greifen bekam, und sie öffnete, empfing ihm die Nachtluft. »Wo wollen wir eigentlich hin?« fragte Laurie, die im Dunkeln endlich die Gestalt Liams ausfindig machne konnte. Doch er gab keine Antwort, ergriff stattdessen ihre Hand und zog sie mit ins Freie.
Noch immer fielen Schüsse, nur klangen sie viel weiter entfernt. Oder war es eine andere Schießerei? Beide irrten durch die dunklen Gassen. Es roch nach Abfällen und Abgasen. Endlich fanden sie die Straße wieder, wo Autos entlang fuhren und vereinzelt Passanten unterwegs waren. Laurie umschloss ihre Finger fest in Liams Händen. Ihre Füßen taten etwas weh,
vielleicht bluteten sie sogar, doch sie sagte kein Wort. Stattdessen starrte sie neben Liam auf die befahrene Straße und die Lichter.
Die Schüsse schienen nicht enden zu wollen, denn aus heiteren Himmel gingen unmittelbar neben ihnen weitere Schüsse ein. Sie prallten an der Wand bis hin zum Eisengeländer ab und hinterließen ein klirrendes Geräusch. Instinktiv waren sie sich auf den Boden, und für einen kurzen Moment waren sie wie gelähmt. Verfolgte sie etwa jemand? Fand der Schuss nur in ihren Köpfen statt?
Als mehrere Minuten nichts geschah, kamen sie wieder langsam auf die Beine. »Ein wirklich verrückter Abend.« lächelte Laurie und zupfte an ihren Saum herum. Mittlerweile sah das Kleid ziemlich mitgenommen aus. »Hier ist nicht mehr sicher. Gehen wir lieber zurück, nur damit du in Sicherheit bist.« Laurie dachte einen Moment nach, schüttelte dann aber engerisch den Kopf und begann an zu lachen.
»Gerade fängt es doch an, richtig Spaß zu machen.« Liam hob eine Augenbraue. Er wollte sie am liebsten schütteln, sie von der irrsinnigen Vorstellung abbringen, das hier wäre alles nicht echt, nur weil sie die letzten Jahre? eingesperrt im Vogelkäfig war. »Ich kann mir gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal soetwas erlebt habe.« Ihr Lachen erstarb, als weitere Schüsse fielen; wieder in ihre Richtung. »Das ist kein Zufall mehr!« rief Liam. »Hör auf zu glauben, das wäre eine Spiel.« Er schaute sich um und sah in der gasse eine Eisentreppe. »Los, fliehen wir da hoch!«
Laurie kam der Aufforderung nach, auch wenn sie immer noch das Bedürfnis hzatte, zu lachen. Diese Siatuation hatte so etwas urkomisches. Und plötzlich breitete sich da wieder dieses übelerregendes Gefühl in ihr aus, was ihre gute Laune auf einen Schlag wegblies. Während sie beide die Treppe hochrannten, kam ihr der Gedanke, dass das wirklich kein Zufall mehr sein könnte. Das jemand es auf sie abgesehen haben könnte, ließ sie eine Gänsehaut bekommen. Ihre Finger rutschten beinahe am kalten Eisen ab, als sie sich am geländer festhielt. Sie kamen immer höher und höher, doch die Schüsse hörten nicht auf.
Als sie nach unten blickte glaubte sie sogar, eine Gestalt zu sehen, nein Mehrere, die sich unter der Treppe versammelten. »Ihr sitzt in der Falle!« rief eine männliche Stimme. »Wir bringen unseren Boss deinen Kopf!« Laurie wusste genau, das die Worte ihr galten. Sie blieb stehen, atmetete tief und aus, und in dem Moment wünschte sie sich nichts sehnlicher, als wieder daheim zu sein. Jetzt wusste sie, wovor Adrian sie schützen wollte. Sie erinnerte sich an Gesprächsfetzen von ihm, als sie ihm belauscht hatte. Liam bemerkte, das Laurie stehen blieb. »Was ist los? Warum bleibst du stehen?« Laurie schaute ihn mit einen warmen Lächeln an.
»Ich glaube, sie kommen mich holen. Und...« Sie wurde unterbrochen von mehreren Schüssen. Ein Wunder, das sie bisher nicht getroffen wurde. »Keiner kommt doch holen. Wir müssen hier weg. Komm!« fiel Liam ihr ins Wort und zog sie zu sich nach oben, damit sie weiterliefen. Der Weg erschien so furchtbar lang. Und man hörte hektische Schritte von unten. Sie kamen, kamen um sie zu holen. »Ich will nicht weiter.« rief Laurie und riss sich von ihm los. Geschockt schaute Liam sie an. »Was redest du da?« Sie schüttelte den Kopf. »Sie sind in der Überzahl. Und sie wollen nur mich. Ich... Mein Leben...« Jemand packte sie an die Schulter und riss sie gewaltsam nach hinten.
Laurie stolperte nach hinten und ihr Kopf knallte gegen die Mauer. Sterne tanzten vor ihren Augen und ein stechender Schmerz durchfuhr ihren ganzen Körper. In der Ferne hörte sie Liam brüllen, sie sollten sie in Ruhe lassen. Doch um sie herum nahm das Stimmengeschwirr immer weiter zu. Hätten sie wirklich eine Chance gehabt, zu fliehen? Nun keimte in ihr der Wunsch, das Liam fliehen konnte. Und je mehr sie darüber nachdachte, desto klarer hatte sie sein Gesicht von ... früher vor sich. Sie erinnerte sich an Dialoge, an Schausplätze... an ihre Eltern, an Valerie, Cheryl... der Schlag hatte ihre Erinnerungen an ihr früheres Leben zurückgeholt, und nun sah Laurie ihre Welt mit anderen Augen.
Eine andere Person riss sie an ihren Haaren hoch, doch sie schrie nicht. Ihr Blick war etwas verschwommen, doch sie konnte Liam erkennen. »Ich kann mich erinnern, Liam. Hörst du? Ich kann mich an alles erinnern. An unsere gemeinsame Zeit...« Tränen stiegen ihr in die Augen und für ihre kurzen Sätze handelte sie sich eine Ohrfeige ein. Noch immer konnte sie nicht aufhören zu lächeln. Schon den ganzen Abend nicht. »SHANICE!« Eine neue Stimme drang an ihr Ohr, weit entfernt, doch es war diese von Adrian. Und erneut tauchten unten an der Eisentreppe witere Personen auf. Ja, es war Adrian. Da war sie sich ganz sicher. Und Hughes und Valiant... sie alle waren gekommen.
Doch es war zu spät. »Wenn ihr sie nicht sofort freilässt, seid ihr innerhalb weiger Sekunden tot!« Gelächter war zu hören und der Mann, der Laurie festhielt, trat nach vorne. Inzwischen hatte man auch Liam in die Mangel genommen. Er hatte auch mehrere Schläge bekommen, damit er nicht fliehnen konnte und kniete nun mit blutenden Wunden auf der Treppe. »Du willst sie wiederhaben!?« höhnte die Stimme von oben und schob Laurie noch weiter nach vorne. Ohne Vorwarnung stieß er sie über das Geländer, das mehrere Meter in die Tiefe ging. »Da hast du sie - tot!« Und mehrere Kugeln trafen ihren Körper in der Luft. Der Schmerz durchzuckte sie wie Blitze und ihre Hände streckte sie nach Liam aus? Dem Geländer?
Sie wusste es nicht so genau. Und ihr Blick fiel während des Falls auf den Sternenhimmel. Sie glaubte, den gleichen gesehen zu haben, wie bei ihren ersten Fall, als sie vom Krankenhausdach fiel.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen