Samstag, 16. März 2013

Kapitel 70

Jetzt musste Liam vollkommen übergeschnappt sein. Er musste träumen, es lag am Wassermangel, oder die Sonne tat ihm nicht gut. Vor Überraschung blieb ihm der Mund offen. Er konnte seinen Blick einfach nicht abwenden, und musste mehrmals blinzeln, um sich zu vergwissern, das dies keine optische Täuschung war. Doch die beiden Personen liefen die Treppen herunter. Nicht eng umschlungen, um Gottes Willen!, aber doch eng miteinander, was Liam sowohl wütend, als auch misstrauisch machte. Er wollte etwas agen, doch seine Position machte dies unmöglich. Während die Beiden näher kamen, jetzt war er sich zu hundert Prozent sicher, das es Laurie sein musste!, warf ihn Noah einen kurzen, intensiven kalten Blick zu. Er behandelte ihn wie ein Fremder, gar wie Luft. War das etwa der gleiche Noah, mit dem er noch vor ein paar Wochen zusammen war!? Oder hatte man ihn einer Gehirnwäsche unterzogen? Liams Kopf begann langsam zu schmerzen, und sein Körper fühlte sich noch immer kraftlos und träge an. »Si va, per favore!« wies Laurie die Männer an, sie könnten nun gehen. Liam blieb mit ihnen allein zurück. Auch Laurie schien sich sonderbar zu benehmen. Merkte sie nicht, wem sie da vor sich hatte? Er versuchte, sie unverstollen zu betrachten, doch Noah warf ihm einen giftigen Blick zu. Er schaute sofort zur Seite. »Sind Sie müde?« wechselte Laurie in seine Lanfessprache und schaute ihn mit einen kleinen Lächeln auf den Lippen an. Liam brachte nur ein mühsames Nicken zustande, doch sein Herz schlug einen Takt schneller. »Lo porto in un'altra stanza.« rief Laurie an Noah gewandt, der Liam einen missbillegenden Blick zuwarf. Er zog die Augenbrauen hoch, antworte aber nur kurz: »Sí.« Für ihn war es eine unsichtbare Mitteilung zu verschwinden, was er auch tat. Verwirrt schaute Liam ihn nach. Ihm kam der Gedanke, das Noah vielleicht einen bösartigen, gefühlskalten Zwilling hatte? Selbst diese Möglichkeit fand er durchaus realistsich, nach alldem was er bisher erlebt hatte. »Folgen Sie mir.« wies Laurie ihn an und ging vorraus. Sie gingen nach rechts und traten in einen lichtdurchfluteten Durchgang mit großen Fenstern. Das Licht schien warm hinein und warf seltsame Spiegelungen auf den Boden. Als Liam geradeaus blickte, sah er eine große, weiße Tür. Natürlich ebenfalls reichlich verziert. Dahinter befand sich allerdings ein Raum, der den Eingangsbereich ähnelte, nur, das dieser mit Möbeln reichlich ausgestattet war. In der Mitte befand sich ein kleiner runder Tisch mit mehreren Stühlen. Während Laurie Platz nahm, setzte sich Liam ihr gegenüber. Jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt, um wirklich hundert prozent sicher zu gehen, das dies Laurie war. Noch immer machte es ihm stutzig, das sie ihn siezte. »Äh...« verlegen schaute er zur Seite aus dem Fenster. Er wusste nicht so recht, wie er anfangen sollte. In der trauten Zweisamkeit hätte Liam Laurie sofort umarmt, wäre vielleicht sogar über sie hergefallen. Doch er versuchte seine Gelüste zu unterdrücken; vorerst. Stattdessen versuchte er, sich auf seine Frage zu konzentrieren. »Ich weiß gar nicht so recht, wie ich dir die Frage stellen soll, ohne, das es ...« Seine Stimme versagte und er vergrub sein Gesicht in seine Hände. Hoffentlich erlitt er jetzt keinen Zusammenbruch... Laurie blieb währenddessen ziemlich ruhig und schaute ihn mit einen prüfenden, aber gleichzeitig mitleidigen Blick an. »Sei solo stanca.« murmelte sie. »Sie können sich ausruhen, wenn Sie möchten.« Liam schaute auf und blickte in ein äußert liebevolles Gesicht. Laurie deutete auf ein Bett, das ebenfalls im Raum stand. Plötzlich stand sie auf, doch Liam hielt sie am Handgelenk fest. Erschrocken wich sie zurück. »L-Lassen Sie mich los oder ...« verlangte sie, doch Liam ließ nicht locker. Er schaute Laurie mit ernsten Augen an. »Weißt du denn nicht mehr, wer ich bin, Laurie?« Ihre Augen weiteten sich. Doch schnell merkte Liam, das es nicht die erhoffte Reaktion auf ihren Namen war. Im Gegenteil, es breitete sich blanke Panik in ihren Gesicht aus. »Ich kenn keine Laurie! Wer sind Sie!? Und ich...!?« rief sie angsterfüllt und riss sich mit aller Gewalt los und stürmte aus dem Zimmer. Hinter ihr knallte die Tür ins Schloss. Zurück blieb ein äußert fassungsloser Liam. Er konnte kaum glauben, was er da gerade gehört hatte. Verleugnete sie ihre eigene, wahre Identität? Sein Blick wanderte zum Bett. Erneut schrie sein Körper vor Schmerz und forderte endlich seinen langersehnten Schlaf. Liam wäre es lieber gewesen, wenn man den Raum abschließen könnte. Noch immer fühlte er sich unbehaglich in diesem großen Haus.

Adrian schaute auf, als die Tür zu seinen Büro, das gleichzeitig auch eine Art Schlafraum war, mit einen lauten Knall aufgerissen wurde. Vor ohm stand völlig ausser Atem Laurie, immer noch diesen panischen Blick im Gesicht. »Was ist passiert?« fragte er mit ernster Miene, doch in seiner Stimme schwang Besorgnis mit. Er legte seinen Kugelschreiber beiseite und stand langsam von seinen Stuhl auf, um hinter seinen Schreibtisch zu verharren. Das Mädchen trat näher, sichtlich mit den Tränen kämpfend. »D-Der Fremde macht mir Angst.« brachte sie mühsam hervor und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Adrian war in Alarmbereitschaft und ging um seinen Schreibtisch herum um Laurie in die Arme zu nehmen. »Du bist hier sicher, Shanice.« sprach er beruhigend auf sie ein. »Keiner wird dir weh tun, verstehst du? Wenn er dich angefasst hat, töte ich ihn sofort.« Laurie schüttelte langsam den Kopf. Ein Schluchzen drang aus ihrer Kehle. »No-No...« antwortete sie brüchig. Er hatte nur ihr Handgelenk umfasst, was ihr Angst gemacht hatte. Und es machte ihr auch Angst, das Adrian ihn deswegen umbringen wollte. Und sie hatte Angst vor dieser Frage. Nun schlug sie ihre Hände vors Gesicht und weinte leise. Adrian hatte solche Gefühlsausbrüche schon oft erlebt. Er war kein Mann großer Worte, wusste aber, wie er Laurie wieder etwas beruhigen konnte. Langsam strich er ihr übers Haar. »Geh in dein Zimmer.« forderte er sie auf. »Ich gebe Verdiana Bescheid, das sie dir eine große Kanne Tee machen soll. Lavendeltee trinkst du doch so gerne, oder? Warte da auf mich und ich bringe ihn dir in dein Zimmer, ja? Dann können wir in Ruhe reden.« Laurie nickte langsam. »I-In Ordnung.« rief sie leise und löste sich langsam aus seinen Armen. Ein letztes Mal wischte sie sich über ihr Gesicht und wilte aus dem Zimmer. Ohne weiter darüber nachzudenken, widmete sich Adrian wieder seiner Arbeit zu. Er wollte den Hörer des Telefons neben sich abnehmen, ließ dann aber seine Hand wieder sinken. Er würde den Tee selbst zubereiten. Und er wusste auch schon genau, wie.

Liam schlug seine Augen auf, als ein Geräusch neben ihn erklang. Ruckartig schoss er in die Höhe. Er musste tatsächlich eingeschlafen sein. Ein Wunder, das er noch am Leben war. Nun schaute er in das Gesicht einer älteren Dame. Sie hatte gelocktes, dunkles Haar und trug eine Schürze. Nur sie konnte das Tablett auf seinen Nachttisch abgestellt hatte. Lediglich ein Glas Wasser stand darauf. »Wer sind Sie?« fragte er misstrauisch. »Verdiana Zanchetti. Ich bin die Haushälterin dieses Gebäudes.« Liams Anspannung löste sich etwas. Von ihr würde wohl keine Gefahr ausgehen. Und wenn ja, könnte er sie bestimmt überwältigen, ohne sie großartig zu verletzen. Der Schlaf hatte ihm ganz gut getan. »Bedienen Sie sich ruhig. Auch wenn es nicht viel ist, was ich Ihnen anbieten darf.« rief Verdiana und deutete auf das Glas. »Keine Sorge. Wir haben da keine Schlafmittel oder gar ein Gift hineingetan.« Vorsichtig nippte Liam an dem Glas, ehe er es in einen Zug hinunterschluckte. »Kennen Sie das Mädchen, das hier im Haus lebt?« Er stellte die Frage dabei so beiläufig wie möglich, doch Verdiana schöpfte keinen Verdacht. »Sie meinen das junge Fräulein Shanice?« Shanice? Seid wann trug Laurie diesen Namen? Jetzt konnte er auch ihre Reaktion nachvollziehen, warum sie so panisch benommen hatte. Liam nickte. »Können Sie mir mehr über sie erzählen?« Verdiana überlegte kurz, nickte dann aber mit einen Lächeln. »Ein wirklich liebes, nettes Fräulein.« schwärmte sie etwas, als wäre es ihre Enkelin. »Ihre Haut ist nur so furchtbar blass. Wissen Sie, das junge Fräulein geht nur selten raus. Besser gesagt, der Hausherr Don-Calvaresi-Sciutto sieht es nur ungern, wenn sie draussen in dieser Hitze ist.« Liam nickte verständnissvoll. Er wollte unbedingt mehr erfahren. »Lebte sie hier schon immer?« erkundigte er sich weiter. Verdiana schüttelte den Kopf. »Nein. Ihr Besuch war sogar vollkommen überrasschend. Von einen Tag auf den anderen lebte das junge Fräulein hier.« Liam nickte. Er wusste zwar nicht, wieviel Zeit zwischen ihren angeblichen Tod und der Ankuft lag, aber das konnte ihm auch egal sein. Das Wichtigste war, das er endlich Laurie gefunden hatte. Nun galt es nur noch einen Weg zu finden, sie hier rauszuholen.

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