Die verbliebene Nacht hatte ich überraschenderweise ohne Alpträume verbracht. Ich schaute auf die Uhr und sah, das es fast Mittag war! Ohne Eile stieg ich aus meinen Bett und zog mich an.
Dabei verdrängte ich ganz bewusst die Szene von letzter Nacht. Mein Blick fiel auf den Ledermantel von dem unbekannten Jungen. Hatte ich doch tatsächlich vergessen, ihn wieder zurückzugeben.
Ich ging die Treppe herunter und wunderte mich, warum es so still war. In der Küche entdeckte ich einen Zettel auf dem Tisch auf dem im sauberer Handschrift stand:
Laurie! Ich bin heute bis ca. 18:00 Uhr in meinem Floristikladen. Bediene dich bei den Zutaten, wenn du dir etwas kochen möchtest. Oder gehe in die Stadt, um dir etwas zu essen zu holen. *Küsschen* Berit
Ich legte den Zettel wieder zurück und schaute im Kühlschrank nach, ob für mich noch etwas da war. Doch seltsamerweise verspürte ich keinen großen Hunger. Stattdessen hatte ich das größere Bedürfnis, nach draussen in die Natur zu gehen.
Und bis Tantchen von der Arbeit kam, war ich längst wieder da. Hinter ihrem Haus ging ein Weg in den Wald hinein, den ich ohne zu zögern, folgte. Schon bald war ich versunken in ein Blätterdach, dessen Rauschen ich durch den Wind wahrnehmen konnte.
Ich atmete tief ein und aus und fühlte mich unendlich frei. Vorsichtshalber hatte ich den Ledermantel von dem Jungen mit, da ich hoffte, ihn vielleicht hier zu treffen. Dann konnte ich mich nochmals bedanken, ihn zurückgeben und hoffentlich alles so schnell wie möglich vergessen.
Die Bilder von letzter Nacht tauchten wieder auf und ich blieb stehen. Ich lehnte mich an einen dicken Baumstamm und hoffte, es ging schnell wieder vorbei. Ich schlang meine Arme fest um meinen Körper und wollte schreien; brachte aber kein Ton heraus. Stattdessen liefen mir Tränen über das Gesicht, die ich mit leicht
zitternden Händen wegwischte. Nie in meinen Leben wollte ich mit Aaron noch etwas zu tun haben. Als ich mich etwas beruhigt hatte, setzte ich meinen Weg langsam fort und ging tiefer in den Wald. Ehe ich mich versah, stand ich plötzlich vor einen Eingang; um genauer zu sein, der Höhleneingang schlechthin! Ich schaute mich um und stellte fest,
das mich mein Orientirungssinn doch nicht ganz im Stich gelassen hatte. Der Eingang war allerdings nicht besonders groß. Ich hatte ihn mir vom Umfang wie ein Tunnel vorgestellt. Stattdessen war er maximal zwei mal zwei Meter breit. Ich richtete meinen Blick wieder auf den Eingang und schaute angestrengt in die Dunkelheit. Innen war es pechschwarz.
Ich spürte einen Luftzug, so als würde die Höhle ausatmen. Mich überkam eine Gänsehaut und ich trat einen Schritt näher. Aprupt blieb ich stehen, als mein Blick auf den Boden fiel. Da! Es lag etwas Glitzernes auf den Boden. Und ich musste zweimal hinschauen, um mich zu vergewissern, ob das wieder keine Täuschung war. Doch diesmal war es echt. Bei den
Gegenstand handelte es sich um ein Kettchen; um genauer zu sein, das gleiche Schmuckstück wie in der Standuhr! Ich ging in die Knie und berührte es vorsichtig. An der Kette hing ein Anhänger in Kreuzform. Ich fragte mich, wie es hierher gekommen war... Die Einzigen Personen, die in der Lage dazu gewesen wären, wären Tantchen oder Ich selbst. Doch warum sollte sie
das Kettchen hier, ausgerechnet vor der Höhle ablegen? Und ich? Hatte ich etwa wieder geschlafwandelt?
Erneut lief mir ein kalter Schauer über den Rücken, als ich ein Flüstern vernahm. Es kam wahrscheinlich aus der Höhle; woher sonst. Ich richtete mich auf, das Kettchen in der Hand und lauschte. Da war es wieder. Unverkennbar aber leise.
»Mein Kettchen hast du gefunden.« Das war eindeutig keine Einbildung! Da war doch etwas! Wollte mir etwa jemand einen Streich spielen und hatte sich in der Höhle versteckt? Ich ging noch einen Schritt hinein und war fast von Schwärze umgeben.
»H-Hallo? Ist da jemand?« rief ich zaghaft. Ich wartete doch es kam nichts zurück. Trotz meiner Angst vor der Dunkelheit, übermahnte mich meine Neugier, was alles mit der Höhle und den Todesfällen zu tun hat. Ehe ich mich versah, war der Eingang weit, weit weg von mir. Ich
hatte gar nicht darauf geachtet, das ich schon so weit vorangekommen war. Ich spürte einen eiskalten Windhauch in meinen Nacken und da war es wieder; das Flüstern, nur diesmal ganz nah an meinen Ohr. So als würde die jenige Person direkt neben mir stehen. »Mein Kettchen möchte ich wieder haben.«
flehte die Stimme und ich drehte mich zur Seite um. Ich hätte beinahe aufgeschrieen, doch da packte mich diese eiskalte Hand aus dem Alptraum im Zug, und der Schrei blieb mir im Hals stecken. Kalte und Heiße Schauer liefen mir den Rücken herunter, mein Puls beschleunigte und ich ging jede Wette ein, das ich kreidebleich war.
Erstarrt verharrte ich auf den Punkt und ließ das Kettchen in meinen steifen Fingern auf den Boden fallen. »D-Da.« rief ich mit zittriger Stimme in die Dunkelheit und sah im nächsten Augenblick eine weiße Gestalt vor mir. Meine Augen weiteten sich. Hin und hergerissen schaute ich zwischen der Hand, die mich immer noch fest umschlossen hielt und der
Gestalt vor mir, die langsam immer deutlicher wurde. Dabei handelte es sich um eine junge Frau mit langen Haar. Dessen Haarfarbe war irgendwie ausgewaschen, verblasst. Doch ich identifzierte es als ein sehr helles Braun. Insgsamt wirkte alles eher durchsichtig mit pastlligen Farben. »L-Lass meine Hand l-los.« flehte ich und schaute die Gestalt angsterfüllt an.
Diese schaute mich nur durchdringend, ohne jegliche Emotionen an. Ganz langsam spürte ich, wie der Griff sich lockerte. Schließlich ließ es meine Hand los und schaute mich weiter an. »W-Wer bist du?« fragte ich weiterhin nervös. Ich erhielt lange keine Antwort und wollte meine Frage beinahe wiederholen, als die junge Frau flüsternd antwortete: »Cathrin.«
Ich nickte, wusste aber nicht so recht, was ich sagen sollte. Träumte ich wieder? Cathrin, wenn das ihr Name war, senkte den Kopf, so das ihre Haare ins Gesicht fielen. Ich nahm eine Veränderung war, die mir in dem Moment vollkommen bewusst war, als sie wieder ihren Kopf hoch. Statt den hübschen Gesicht war eine hässliche Fratze an Stelle getreten.
Die Augenhöhlen waren dunkelrot. Tränen, die ihr über das Gesicht liefen, nahmen die gleiche Farbe an. Ihre Zähne waren spitz und bestimmt rasiermesserscharf! Eine diabolisches Grinsen breitete sich über ihre Gesichtzüge aus, was sich für immer in mein Gedächnis eingebrannt hatte. Erneute Angst und Panik stieg in mir auf und ein Adrenalinstoß gab mir die nötige Kraft, endlich
umzukehren; rennend!, um diesen Monster zu entkommen. Der Ausgang kam mir viel zu weit weg und ich wagte mich nicht, mich einmal umzudrehen. Mit zittrigen Beinen stolperte ich den Ausgang entgegen und fiel förmlich mit einen großen Sprung in das Gras. So blieb ich eine ganze Zeit liegen und hoffte, Cathrin, oder was auch immer sie sich verwandelt hatte, würde mir nicht folgen.
Irgendwann merkte ich, wie mich jemand leicht an der Schulter schüttelte. Ich öffnete meine Augen und sah in das Gesicht des namenlosen Jungen. Seine Miene war fast ausdruckslos, wäre da nicht der leichte Anflug von Besorgnis. »Alles in Ordnung mit dir?« fragte er mich und ich richtete mich langsam auf. »I-ich glaube schon.« antworte ich langsam und sah mich beklommen um.
»Was machst du eigentlich hier? Deine Tante muss dir eigentlich gesagt haben, dass das ein gefährlicher Ort ist.« Ich nickte abermals. Sollte ich ihn von meiner Begegnung erzählen? Ich hatte Angst, als verrückt zu gelten.
»D-da drinn war etwas.« fing ich langsam an. »Etwas unheimliches. G-Glaubst du an Geister?« Er schaute zum Himmel hinauf und dachte nach. Schließlich richtete er seinen Blick wieder auf mich und entgegnete: »Da gibt es so Manches, was man sich nicht erklären kann. Warum sollte man gleich als verrückt gelten? Hast du etwa da drinnen einen Geist gesehen?
»Ja.« antwortete ich kleinlaut und schaute zur Seite. Der Junge berührte sachte meine Schulter und ich schaute ihn an. »Du musst dich dafür nicht schämen. Viele Leute wollen hier schon die eine oder andere Gestalt gesehen haben. Ob man daran glaubt, ist jedem selbst überlassen.« »Dann glaubst du also daran?« harkte ich weiter nach. Er zuckte mit den Schultern.
»Manchmal. Doch oft glaube ich, es ist alles nur Einbildung.« Ich weiß nicht so recht, ob mich die Erklärung beruhigen sollte oder nicht. Ich beschloss, das Thema nicht weiter anzureißen. »D-Darf ich fragen, wie du heißt? Denn... ich habe noch deinen Mantel.« Ich deutete auf das Bündel, das unmittelbar neben mir lag. »Liam. Liam Delling.« Er musste mein Blick bemerkt haben, den ich ihn zugeworfen hatte.
Eine Mischung aus Entsetzen und Neugier. »An deiner Reaktion kann ich ablesen, das du alles andere als begeistert davon bist. Lass mich raten; Vivian hat dir von mir erzählt.« Ich zuckte schuldbewusst mit den Schultern. »Jein... Also...« Doch Liam ließ mich gar nicht erst ausreden und hob abwertend die Hand. »Schon gut. Du musst dich mit mir nicht abgeben. Wie auch immer. Ich habe die gefunden und du bist ok.«
Seine Miene wurde hart und er stand auf. Dabei nahm er sich den Mantel und klemmte ihn unter seinen Arm. Ich blieb unten auf den Boden und schaute eingeschüchtert zu ihn hinauf. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging fort.
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