Wo draussen eine Kälte herrschte, war es in der Bar warm. Sehr warm sogar. Es hatte nichts von der Großstadtdisco die ich kannte. Nicht, das ich unbedingt scharf darauf war, buntem Blitzlichtgewitter augesetzt zu sein.
Der Raum war verwinkelt und an den Wänden war gedämpftes Licht angebracht, was alles noch ... wohnlicher machte!? Unsicher und still ging ich Treppe herunter, um an einen Kleiderhaken meine Jacke aufzuhängen. Suchend schaute ich mich nach Aaron um, bis mir jemand auf die Schulter tippte.
Erschrocken fuhr ich herum (seid wann war ich nur so schreckhaft?) und schaute in das grinsende Gesicht von Vivian. »Bist du also doch der Einladung gefolgt.« erwiederte sie und harkte sich bei mir unter. »Du bist es doch ebenfalls.« gab ich zurück.
»Ich kann dich doch nicht allein mit Aaron lassen.« rief sie augenzwinkernd und führte mich an eine Tischgruppe. Nichts anders zu erwarten, saß da Aaron, mit einen Glas in der Hand und plapperte freudenstrahlend mit einen seiner Kumpels. Wir beide waren übrigens die einzigen beiden Mädchen, was
mir großes Unbehagen bereitete. »Laurie ist da!« rief Vivian über die Runde hinweg und fünf Augenpaare richteten sich auf uns. Nervös hob ich die Hand und brachte mühsam ein kleines »Hi« hervor. Zur Salzsäule erstarrt nahm ich Platz und starrte die Tischplatte an, statt mich umzuschauen, mit wem ich überhaubt den Abend verbringen würde.
»Ich freue mich riesig, das du meiner Bitte nachgekommen bist.« rief Aaron und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Ich lief knallrot an und nickte. ich wünschte, ich wäre daheim geblieben. Reihum stellte sich jeder der jungen Männer vor. Als alle fertig waren, rief Aaron eine Kellnerin zu uns herüber, um eine neue Runde zu bestellen. Ich brachte immer
noch kein Wort heraus und ließ die anderen für mich mitbestellen. Als ich mir mein Glas genauer anschaute, traute ich dessen Inhalt nicht. »Nicht so schüchtern. Vergiftet ist es ganz bestimmt nicht.« munterte mich einer der Jungen auf, dessen Namen ich wieder vergessen hatte. Vorsichtig nippte ich daran und bereute es sofort: Das Zeug brannte wie Feuer in meiner Kehle.
Und mein Gesichtsausdruck gab wohl ihr Übriges dazu. Es gab wohl niemanden am Tisch, der nicht lachte. »Aller Anfang ist schwer. Du wirst dich noch daran gewöhnen.« brachte Vivian unter Lachen hervor. Sollte ich mich damit etwa den Alkoholismus hingeben? Ich schüttelte den Kopf und hoffte, das der Abend nicht schlimmer wurde.
Eine Zeit lang lief es sogar richtig gut. Auch wenn ich bei vielen Themen nicht mitreden konnte, hörte ich dennoch lieber zu und gab ein paar mal meine Meinung dazu. Mit jeder Stunde stieg der Alkoholkonsoum und ich fragte mich, wie man das Zeug wie Wasser hinunterschlucken konnte. Von meinen Drink hatte ich übrigens nichts mehr angerührt; und stattdessen ein Glas Wasser bestellt.
Die Zeit verflog, ehe ich zufällig auf die Uhr schaute und merkte, das ich schon sehr, sehr spät drann war...
Hastig stand ich von meinen Stuhl auf und haspelte irgendwelche Verabschiedungssätze vor mich hin, ehe ich zur Gardrobe eilte. Doch soweit kam ich gar nicht. Denn erneut spürte ich etwas, was sich als ganze Hand herausstellte, auf meiner Schulter. Ich drehte mich um und sah in das, nun ja... freudige? Gesicht von Aaron.
Alkoholgeruch kam mir entgegen und ich wusste; jetzt musste ich weg! Und zwar sofort! Doch er ließ seine Hand gar nicht von mir ab. Ich versuchte sie, abzustreifen, was ein Fehlschlag war. Das man in dem Zustand noch so viel Kraft hatte! »Wie wärs, wenn wir ein bisschen nach draussen gehen?« Etwas anderes, als nicken blieb mir nicht übrig, also tat ich es gehorsam.
Die anderen am Tisch waren zu weit weg von uns, und ich bezweifelte, das jemand von Personal oder den anderen Gästen uns bemerkte.
Einen Tick zu umschlungen gingen wir nach draussen und mir fiel das atmen immer schwerer. Auf was hatte ich mich da bloß eingelassen? Und wie zum Teufel kam ich aus dieser Situation wieder heraus? Gedankenversunken überlegte ich, wie ich Aaron am besten entkommen konnte, was in seinem Klammergriff alles andere als Einfach war. Wir hielten an einer Bank an, die unmittelbar vor der Bar stand.
Leider aber in einen relativ dunklen Winkel, so das es auch hier keine Chance gab, das uns jemand sah. Aaron setzte sich vorraus und klopfte einlandend neben sich. Einen Moment blieb ich stehen, ehe ich dem nachkam. Zunächst redeten wir gar nichts und schauten stumm die Sterne über uns an. Ich rückte Stückchen für Stückchen zentimeterweise von ihn ab, was Aaron anscheinend falsch verstand! Schneller als ich erwartet hätte,
war er plötzlich ganz nah an meinen Gesicht und schaute mich mit seinen braunen Augen an. Der Blick war keineswegs nüchtern, aber aufmerksam. Und da hatte er sich wieder eine meiner Haarsträhnen gefasst und um seinen Finger gewickelt. Ich schluckte und hoffte, dass das alles war. Doch anscheinend meinte es das Schicksal an diesem Abend überhaubt nicht gut mit mir. Während er immer noch meine Haarsträhne umhielt, drückte er mich langsam auf die Bank herunter.
Mir lief es heiß und kalt den Rücken runter und ich wollte nur noch weg. Abermals war er nur wenige Zentimeter von meinen Gesicht entfernt, flüsterte nun aber etwas von "Wärmen in der Kälte" in mein Ohr. Ich war starr vor Schreck und konnte mich nicht mehr bewegen; was auch gar nicht mehr möglich war. Denn Aarons Körpergewicht befand sich direkt auf mir, was meine Bewegungsfreiheit deutlich einschränkte.
Die Panik ergriff mich immer mehr und ich hoffte, nein betete, das endlich jemand kommen würde. Doch das Spiel, wenn es eins sein sollte, war noch längst nicht vorbei. »Ich liebe dich.« flüsterte er mir ins Ohr, dessen Echtheit ich stark bezweifelte, wenn ich den Worten Vivian Glauben schenken konnte. Mehr als ein Erstickten Laut brachte ich nicht hervor und kniff die Augen zusammen. Jetzt wünschte ich mir doch tief im Inneren meinen anderen Alptraum zurück.
Unglücklicherweise hatte ich meine Jacke nicht angezogen, die nun achtlos auf den Boden lag. Mein ganzer Körper versteifte sich immer mehr und ich begann zu zittern. Ob vor Kälte oder vor Angst konnte ich gar nicht mehr so richtig deuten. Langsam begann er, einen Knopf nach den anderen meiner Jacke zu öffnen. Ich wollte Aaron wegdrücken, was mir überhaubt nicht gelang. Trotz Alkohol hatte er nach wie vor noch erstaunliche Kraft! Hilfesuchend schaute ich mich um, konnte aber
in meinen Blickfeld niemanden sehen. Verzwiefelt krallte ich mich in das Holz und wünschte mir nichts sehnlicher, als hier fort zu sein. Ein innerlicher Blitz durchzuckte mich, als ich seine Hand auf meinen Bauch spürte, dessen Weg sich immer weiter nach oben bahnte. Sollte es hier und jetzt; auf einer Bank passieren!? Mein Herz schlug schneller und mit dem letzten Funken Kraft, der in mir schlummerte, schrie ich aus Leibeskräften, was wohl eher an ein Krähen erinnerte.
Aaron drückte seine andere Hand gewaltsam auf meinen Mund und machte mir damit klar, ich sollte sofort die Klappe halten. Angstvoll schaute ich ihn an, denn in seinen Zustand kann man ganz schnell agressiv werden. Auch schreien hatte keinen Zweck und ich fand mich langsam mit der Situation ab, hier und jetzt meine Unschuld zu verlieren. Ich schloss abermals die Augen und ließ es einfach geschehen. Vielleicht war es besser so, wenn man nichts sah und sich wie ein totes Püppchen benahm.
Augenblicke später spürte ich, wie jemand Aaron von mir wegzerrte. Hatten meine Gebete Gott wohlmöglich erreicht? Langsam öffnete ich die Augen und sah eine zweite Gestalt, unmittelbar vor mir. Ich richtete mich langsam auf um besser sehen zu können. Doch mein Blick verschwamm, als ich merkte, das mir Tränen über das Gesicht liefen.
Jemand, mein Retter sozusagen, legte mir minutenspäter eine Jacke um meine Schulter. Das Zittern hatte immer noch nicht aufgehört, wurde aber schwächer. Gedankenverloren starrte ich vor mich hin und wusste nicht, was als Nächstes zu tun war. »Ich habe ihn reingebracht. Dort wird man ihn ein Taxi rufen.« sprach die Stimme, die einen jungen Mann gehören musste, beruhigend.
Endlich drehte ich mich um und sah in das Gesicht eines Jungen, der ausschließlich schwarze Klamotten trug. Er war in der Dunkelheit fast gar nicht sichtbar. »D-danke« brachte ich schwer hervor und schaute wieder auf den Boden. »Du musst neu hier sein. Wo wohnst du? Dann bringe ich dich nach Hause.« Ich nickte und stand auf. Meine Beine fühlten sich wie Wackelpudding an und einen Moment dachte ich, ich würde nach hinten kippen.
Der Fremde stützte mich und ich fühlte mich sicherer, auch wenn ich ihn nicht kenne, geschweige denn sehen, zumal die Lichtverhältnisse nicht gerade ideal waren. Schweigend gingen wir nebeneinander her. Es dauerte doppelt so lange, wie ich hier überhaubt hergefunden hatte. Ich hatte das Gefühl, seiddem wären Jahre vergangen. Als wir an Tante Berits Haus waren, wollte ich nur noch in mein Bett. Nirgends brannte mehr Licht, ich ging davon aus, das sie schon schlafen gegangen war.
Erstaunlicherweise war die Tür noch offen und ich drückte langsam die Klinke herunter. Hier war es viel heller und zum ersten Mal konnte ich mir das Gesicht des jungen Mannes anschauen. Er musste vielleicht in dem Alter von Aaron sein, hatte dunkelvioletes Haar, was fast schwarz schimmerte und trug pechschwarze Kleidung. Ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte. Stattdessen lächelte ich schwach und hauchte ein »Gute Nacht«
In meinen Zimmer fiel ich wie ein Klumpen Stein auf mein Bett und schlief sofort ein.
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