Ungläubig starrte ich mintenlang auf das glitzernde Etwas. So begann doch der Tag wundervoll! Wohlwissend tastete ich nach dem Riegel und fand ihn, da wurde ich von Tantchen gerufen, ich
solle zum Frühstück kommen. Ich wandte mich der Treppe zu, schaute aber noch ein letztes Mal zurück und verschwand nach unten. Neben Knäckebrot bot mir Tantchen auch Cornflakes an; nicht, das ich
etwas gegen das traditionelle Frühstück hätte. Ich trank zwei Tassen Tee und beschloss, die Begutachtung der Standuhr auf später zu verschieben. »Gibt es hier eigentlich eine Bibliothek?« fragte ich
vorsichtig und schob meinen Stuhl zurück. Tante Berit schaute mich von ihren Tassenrand aus an. »Ja. Nur zwanzig Minuten von hier entfernt, wenn du zu Fuß gehst. Ich finde es schön, das du die Stadt erkunden möchtest.«
Ich nickte und ging hoch in mein Zimmer, um mir meine Jacke zu holen. »Ich bin dann mal weg.« Zum Abschied winkte ich kurz und verschwand nach draussen.
Nachdem ich wenige Meter gelaufen war, fiel mir ein, ich hätte fragen sollen, wo genau die Bibliothek war. Umdrehen wollte ich nicht nocheinmal, also setzte ich meinen Weg fort und hoffte auf meinen guten Orientirungssinn.
Doch bald musste ich feststellen, dass das in einer fremden Stadt gar nicht so einfach war. Spontan tippte ich einen Jungen auf die Schulter, um nach den Weg zu fragen.
»Ähm... Entschuldigung? Wissen Sie vielleicht, wo es hier zur Bibliothek geht?« Ein Junge, vielleicht ein oder zwei Jahre älter als ich, drehte sich zu mir um und sah mich freudenstrahlend an.
»Du musst neu sein! Ich habe dich hier noch nie in der Stadt gesehen. Du wärst mir sofort aufgefallen!« Er ergriff meine Hände und setzte sein strahlenstes Lächeln auf. Sichtlich überrumpelt brachte ich heraus: »Ähm... Ja. Aber eigentlich will ich nur wissen, wie ich zur Bibliothek komme.«
Er nickte übereifrig, machte aber keine Anstalten, meine Hände loszulassen. »Sicher, sicher. Ich werde dich sofort hinführen. Und danach können wir uns doch in ein Café setzen. Was hälst du davon?«
Jetzt wurde es mir langsam etwas peinlich. Wir kannten uns nicht einmal eine Minute und schon wollte er mich ins Café einladen!? Nein, das ging auf gar keinen Fall. »Ich wäre Ihnen...« »Nenn mich ruhig Aaron, Liebes.« unterbrach er mich.
»...äh... Aaron - Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mir lediglich zeigen könntest, wo die Bibliothek ist.« Ohne eine Antwort und sehr vergnügt zog er mich an einer Hand in Richtung Innenstadt. Innerlich hoffte ich, ihn bald loszuwerden. Doch meine
Hoffnungen erfüllten sich nicht, leider. Aaron dachte wohl keine Sekunde daran, das Gebäude zu verlassen, obwohl ich bezweifelte, das er sich oft hier aufhielt. Ich wusste eigentlich nicht, wo ich zu suchen anfangen sollte, ging aber dennoch die Abteilungen lang, und wünschte mir,
bald das Richtige gefunden zu haben. Zumal ich es langsam als unangenehm empfand, wie Aaron mich auf Schritt und Tritt verfolgte. »Bist du´n Stalker oder so?« fragte ich nach einer Weile und griff nach einen Buch und packte es auf zwei weitere. Dieser schüttelte den Kopf. »Stalker? Ich? Nee... Ich dachte du siehst mich
als etwas Anderes an.« »Anderes?« Ich hob eine Augenbraue. »Warum nicht als dein Märchenprinz?« Ich musste mich behrrschen, nicht laut loszulachen. War das etwa sein voller Ernst? »Hey, ich meine es ernst. Du bist ein wunderhübsches, süßes Mädchen. Wie lange bleibst du hier in der Stadt? Es ist schade, das wir uns erst jetzt getroffen haben.«
Ich beherrschte mich wieder, griff nach einen weiteren Buch und beschloss, diese an einen freien Tisch erstmal flüchtig durchzublättern. Aaron folgte mir natürich und setzte sich neben mich. Erwartungsvoll schaute er mich an und wartete scheinbar auf meine Antwort ab. Ich hatte eigentlich gar keine Lust mehr auf seine Anmachsprüche wollte ich doch viel lieber
etwas über die Unfälle in der Höhle erfahren. Plötzlich ergriff Aaron eine meiner Haarsträhnen und wickelte sie um seinen Finger. Ich erschrak natürlich tierisch und lief rot an. »W-Was soll d-das!?« rief ich nervös und war dazu gezwungen, ihn in dieAugen zu schauen. Er schien mich hypnotisieren zu wollen, denn eine Antwort erhielt ich nicht. Es verschienen Stunden zu gehen,
ehe ich eine weibliche, fremde Stimme hinter mir hörte: »Musst du schon wieder fremde Mädchen anflirten?«
Sofort löste sich Aaron von mir, denn wie ich bemerkte, war er ziemlich nah an mir herangerückt. Glücklicherweise kam es zu keinem Kuss...!? Ich drehte mich um und schaute in das sowohl verärgerte, als auch amüsierte Gesicht eines blondhaarigen Mädchens. Sie stemmte die Hände in die Hüfte und blickte ihn mürrisch an.
»Vor dir ist doch echt kein weibliches Wesen sicher.« Aaron grinste. »Gerade wurde es doch so romantisch.« Entsetzt schaute ich das Mädchen an und deutete dann auf Aaron: »Kannst du ihn klarmachen, das ich nichts von ihm will?« Sie schüttelte mit den Kopf und nahm kurzerhand gegenüber von uns Beiden Platz. »Das hat kein Zweck. Sehe es als Aaron´sche Begrüßung an.
Ich heiße übrigens Vivian Ingvarda und bin keine Sekunde zu spät gekommen.« Sie schaute wieder mit diesen abfällig/amüsierten Blick zu Aaron herüber, der schuldbewusst die Schultern zuckte, die sagen wollten: Ich kann nichts dafür. »Mein Name ist Laurie Sullivan. Ich bin zu Besuch bei meiner Tante.« Sofort wurde Aaron hellhörig.
»Wie heißt denn deine Tante?« Mehr an Vivian gewandt, antwortete ich: »Berit Sigvat. Sie wohnt da oben auf den Hügel.« Beide staunten nicht schlecht und erst Vivian ergriff das Wort: »Wow. Du Glückliche. Das ist ein riesen Anwesen da... Zu gern würde ich mir die Zimmer anschauen wollen...« Ein schwärmerischer Ausdruck legte sich auf ihren Zügen.
»Ich kann euch gerne einladen.« entgegnete ich lächelnd. Wäre Vivian nicht dabei gewesen, hätte mich Aaron wohl vor Freude angesprungen...
»Apropo einladen...« Sein Gesicht erhellte sich erneut. »Ich würde dich gerne in meine Stammbar einladen. Ganz hier in der Nähe...« Ich nickte vorsichtig und schaute zu Vivian herüber. Diese konnte sich, für ihn typische, Bemerkung nicht verkneifen.
»Nicht, das ihr nachher noch im Bett landet...« Sie grinste mich bittersüß an und ich sprang fast vom Stuhl auf. »W-A-S!?« Sofort hielt ich mir den Mund zu und dachte daran, dass das hier eine Bibliothek war. »D-Du musst scherzen. Dann komme ich auf keinen Fall!«
Es war ja nicht so, das ich noch nie einen Freund hatte, aber meine Unschuld wollte ich an ihn ganz bestimmt nicht verlieren. Bei dem Gedanken wurde mir ganz gleich anders und ich schob ihn ganz schnell beiseite. Vivian wedelte mit der Hand. »Das war ein Scherz, Süße. Allerdings wäre ich bei Aaron vorsichtig. Wenn er einen über den Durst trinkt, dann kann ich ihn das durchaus zutrauen.«
Ich erschauderte und rückte zentimeterweise von Aaron ab. Er wirkte verärgert, allerdings nicht über meine Distanzsheit. »Du musst es ja wissen.« »Ach?« Sie hob lächeldn eine Augenbraue. »Ich wäre nicht die Einzige, die gesehen hat, wie du gerne mal Frauen mitnimmst.« Aarons Miene wurde noch mürrischer und ich hoffte inständig, es würde gleich kein Streit ausbrechen. »Du meinst doch nicht etwa Liam, den Freak?«
Vivian schüttelte den Kopf. »Nicht nur.« Mit diesen Worten stand sie auf. »Ich verabschiede mich dann mal. Ich nehme deine Einladung natürlich auch an.« zwinkerte sie Aaron zu und verschwand. Etwas verdattert blieb ich zurück und wandte mich endlich meinen Büchern wieder zu. Es herrschte Schweigen und selbst Aaron schien nichts mehr einzufallen.
Ich hatte mich von Aaron höflich verabschiedet, und versprochen, am Abend in der Bar zu sein, wo er mit einigen Freunden wartete. Mit meiner Recherche bin ich trotzdem nicht wirklich weitergekommen. Was mich leicht verärgerte. Ich beschloss, in den nächsten Tagen nocheinmal hinzugehen. Nun musste ich mir erstmal Gedanken machen, was ich überhaubt anzog.
Es sah ziemlich bescheiden in meinen Koffer aus, als ich wieder zurück war. »Hast du den Weg zur Bibliothek gefunden?« Tantchen saß in der Küche über einer Zeitschrift gebeugt, während im Ofen etwas buk. Ich trat hinein und setzte mich an den Tisch. »Ja. Und dabei habe ich ein paar wirklich ... nette Leute kennengelernt.« berichtete ich. Tantachen lächelte.
»Wie heißen sie? Vielleicht kenne ich sie ja sogar?« Neugierig schaute sie mich an. Ich überlegte und überlegte, ob ich es wagen sollte, ihr von den beiden Bekanntschaften zu erzählen. »Naja...« fing ich vorsichtig an. »Das eine Mädchen hieß Vivian, glaub ich.« Ihre Miene blieb unverändert. »Ah. Ein nettes Mädchen. Sie arbeitet hier in einen der Restaurants. Aber... sie redet nur schrecklich viel...«
Ich hob einen Finger. »Aber sie hat mich erfolgreich davor bewahrt, einen ungewollten Kuss zu bekommen.« »Einen Kuss?« Tantachens Blick wurd etwas sorgevoll. »Du meinst doch nicht etwa Aaron Hakonsen?« Ich nickte stumm und schaute auf die Tischplatte. »Da hast du dir aber ein paar schöne Bekannte ausgesucht.« Ihr Blick blieb an der Decke hängen. »Ich habe nichts gegen die beiden; im Gegenteil. Nur bin ich mir nicht so sicher,
ob sie dir guttun werden.« Wie würde sie wohl reagieren, wenn ich den Namen Liam erwähnt hätte? Ich schwieg und stand auf. »Ich passe schon auf mich auf.« versprach ich zuversichtlich, auch wenn ich mir da selbst nicht so sicher war. »Übrigens bin ich heute Abend eingeladen. Aaron hat mir eine Adresse zu einer Bar gegeben.«
Hilflos stand ich vor dem Spiegel und wusste immer noch nicht, was ich anziehen könnte. Mutlos stand ich vor dem Spiegel und probierte mehrere Oberteile an.
Nichts wollte so recht passen, doch letztendlich entschied ich mich ein Top im Military-Look sowie einer weißen Jeans und Schmuck. Ich hatte keine Lust darauf, Aaron unötig zu provozieren,
also zog ich noch ein Cardigan drüber. Etwas nervös war ich schon. Kaum war ich einen Tag hier, lernte ich schon jede Menge Menschen kennen. Erschrocken fuhr ich hoch und dachte an die Szene heute früh.
Das Glitzernde Etwas war noch in der Standuhr! Sofort rannte ich zu ihr und riss förmlich das Türchen auf. Tick-Tack-Tick-Tack. Ich schaute genauer hin, konnte allerdings nichts sehen. Hatte ich mir das alles etwa eingebildet?!
Ich ging ein Stück rückwärts, aus Angst, etwas würde mich gleich anspringen. Doch natürlich passierte nichts. Auf den Rückweg zu meinen Zimmer überlegte ich, was das alles zu bedeuten hatte. Heute Morgen war ich doch voll und ganz wach!
Ich zuckte zusammen, als es zur vollen Stunde schlug und sah, das es bereits sieben Uhr war! Wenn ich noch rechtzeitig da sein wollte, musste ich sofort losgehen. Tante Berit versicherte ich noch im Vorbeigehen, das ich spätestens um Eins wieder da war.
Draussen war es schon dunkel, als ich vor die Tür trat. Sofort stieg in mir ein ungutes Gefühl auf. Doch ich konzentrierte mich auf die Straßenlaternen, die ich wenige hundert Meter vor mir erblicken konnte. Unsicher machte ich mich auf den Weg, leicht zitternd den Papierfetzen in der Hand, den mir Aaron gegeben hatte.
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