Den Großteil des Tages verbrachte ich im Zimmer der Pension. Reece war die meiste Zeit unterwegs, und ich versuchte, mich mit Fernsehen abzulenken. Ich erwartete, das etwas schon in den Lokalnachrichten erschien, doch ich wurde entäuscht. Mit keinen Wörtchen wurde meine Entführung erwähnt, was meine Hoffnung sinken ließ.
Ich fragte mich, was Liam tat. Ob er wusste, das etwas nicht stimmte. Ob er noch sauer auf mich war? Oder was war mit Nathan? Kümmerte es ihm, was geschehen war? Hatten er und Liam sich inzwischen 'vertragen'? Ich seufzte, als ich keine Antwort auf alle die Fragen fand. Langsam wurde es Abends, und ich ging an das Fenster. Dort unten auf der
Straße sah ich Reece, wie er aus einen anderen Auto ausstieg. Ich hob meine Augenbrauen und wartete ab, bis er hochkam. Als sich die Tür öffnete, blieb ich noch einen Moment länger am Fenster. Ohne ein Wort der Begrüßung setzte er sich an den Schreibtisch und starrte vor sich hin. »Alles in Ordnung?« fragte ich vorsichtig und trat an seine Seite.
»Nichts.« rief er und stand auf. Aus seiner Tasche holte er eine DVD-Hülle heraus. Verwirrt schaute ich ihn an. »Warst du etwa den ganzen Tag unterwegs, nur um das da zu kaufen?« Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. »Damit dir nicht langweilig wird.« antwortete er und zuckte mit den Schultern. »Außerdem habe ich mir schon lange keinen Film mehr angeschaut.«
Ich nickte perplex und konnte es nicht ganz nachvollziehen, wie man in solch einer Situation eine DVD anschauen konnte. Dennoch musste ich mich dem fügen und setzte mich wieder zurück aufs Bett, wo Reece schon saß. Allerdings nahm ich soviel Abstand wie möglich, ohne aus dem Bett zu fallen. Die Sonne war bereits untergegangen und nur die Tischlampe erhellte das Zimmer.
Hätte ich gewusst, bei was es sich um den Film handelte, hätte ich mich lieber unter die Decke verkrochen. Denn für Horrorfilme konnte ich mich noch nie begeistern. Sie folgten gleich in meiner Liste gleich nach dem kitschigen Liebesfilmen. Während ich gebannt auf den Bildschirm starrte, saß Reece ruhig neben mir. So, als wäre er zur Salzsäule erstarrt. Für mich war es beinahe etwas zu still.
Verstollen schaute ich zur Seite und sah, das er sich irgendwelche Pillen in den Mund schob. »Was ist das?« fragte ich ihn und schaute ihn verwundert an. Reece lehnte seinen Kopf an die Wand und grinste mich wieder an. Doch es jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken, und das Flackern der Lichter im Fernseher machte das alles nur noch schlimmer. Er streckte seine rechte Hand aus und es kamen ein paar bunte, runde Tabletten zum Vorschein.
Ich konnte vage ein paar Prägungen erkennen. Sie sahen so ungewöhnlich aus für normale Tabletten und schlagartig wurde mir bewusst, um was es sich dabei wirklich handelte: »Ecstasy!« rief ich erschrocken und sah ihn mit großen Augen an. Reece nickte kaum sichtbar und schob sich auch den Rest rein. Der Film war in diesem Moment vergessen. Ich wollte ihm die Tabletten aus der Hand schlagen, doch es war schon zu spät. »Spuck sie aus!« verlangte ich
und ein verzweifelte Ausdruck legte sich auf meinen Gesicht. »Wieviel hast du schon von den Teilen genommen? Und woher hast du sie überhaubt her!?« Meine Stimme klang panisch und ich schrie beinahe. Ich rüttelte an ihm wie verrückt und hoffte, das er sie noch nicht runtergeschluckt hatte. Die köperliche Nähe war mir in diesem Moment vollkommen egal. Ich redete abermals auf ihn ein, als Reece mich plötzlich packte, und aufs Bett drückte. Auf sein Gesicht erschien ein
hitziger, zugleich erregter Ausdruck. Hatte er vor,mich zu vergewaltigen? Wie aufs Stichwort drangen erneut Erinnerungen in mein Bewusstsein. Und diesmal wollte ich es nicht soweit kommen lassen.
Ich kam zu den Entschkuss, das er schon vor mindestens einer halben Stunde die ersten Tabletten reingeworfen haben musste. Sein Griff war erstaunlich stark, doch ich hatte dennoch etwas Bewegungsfreiheit. Ich spürte seinen Atem an meinen Hals, wollte mich aber davon nicht beirren lassen, um in einen Schockzustand zu verfallen. Seine Küsse wurden immer eindringlicher und ich setzte alles daran, mich mit den Füßen zu verteidigen. Wie nicht anders zu erwarten, funktionierte dieses Methode nicht wirklich.
Und Reece wurde immer aufdringlicher. Zu blöd, das dieses Oberteil, was ich bekommen hatte, Knöpfe hatte. Denn nun machte er sich daran, mit leicht zittrigen Fingern diese zu öffnen. Viel Zeit blieb mir also nicht und ich begann, nach passenden Gegenständen Ausschau zu halten, mit dem ich bewusstlos schlagen könnte. Es war eine Blumenvase, die ich hinter mir zu greifen bekam. Ohne zu zögern schlug ich auf Reece ein und ließ das Glas auf seinen Kopf splittern. Einen Moment lang glaubte ich, es hätte keinen Sinn gehabt.
Doch dann zeigte er eine Regung und fasste sich plötzlich an seine Brust. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, das nach einen Schlag plötzlich Atemnot ausgelöst werden könnte. Doch nun rang Reece deutlich nach Luft. Erstickte Laute drangen aus seiner Kehle und er krümmte sich vor Schmerz. Aus seinen Mund begann, eine schleimige Konsistenz herauszutropfen, was sich allerdings nicht als Blut herausstellte. Mir wurde klar, das dieses Ecstasy seine volle Wirkung entfaltete. »M-Mein Herz...« keuchte Reece und schaute mich verzweifelt an.
Ich musste sofort etwas unternehmen und den Krankenwagen rufen! Doch wie sollte ich das anstellen, wobei ich noch am Fuß gefesselt war? Ich musste die Kette los werden und nach unten rennen, um an der Rezeption den Krankenwagen anrufen zu können. Doch als Erstes schaltete ich im Raum das große Licht an, um die Fesseln genauer begutachteten zu können. Glücklicherweise befand sich daran ein Schloß, was bedeutete, das es dazu einen Schlüssel gab! »Der Schlüssel, Reece! Wo ist er?« rief ich und schaute zu ihn herüber. Sein Zustand hatte sich noch immer nicht gebessert und die Zeit lief gegen uns.
Warum verdammt hatte er auch das Telefon entfernt!? Als ich keine Antwort erhielt, sprang ich im Zimmer hin und her und durchsuchte jede Schublade und Tasche. Mein Herz raste und ich hatte Angst, das Reece vor meinen Augen hier sterben könnte.
Endlich entdeckte ich einen kleinen Schlüssel in seiner Jackentasche und schloss mit zittrigen Fingern auf. Ich fühlte mich gleich ein Stück freier und stürzte auf die Tür zu. »Ich komme gleich wieder!« rief ich über die Schulter hinweg und rannte nach unten. Dabei nahm ich gleich zwei Stufen auf einmal, und ich musste aufpassen, das ich nicht die Treppe herunterflog. Ausser Atem kam ich an der Rezeption an und schilderte in unvollständigen Sätzen mein Anliegen.
Als ich wieder nach oben rannte, sah ich Reece in seinen Erbrochenen liegen. Der Geruch war alles andere als reizend, doch ich fühlte an seinen Hals seinen Puls. Er ging sehr schwach, doch er lebte. »Du musst durchhalten, hörst du?« rief ich. »Der Krankenwagen ist gleich da. Und dann wird es dir bald besser gehen.« Zumindest hoffte ich es. Meine Gedanken rasten und ich wusste nicht so recht, was ich tun könnte. Ich stiefelte im Zimmer hin und her, bis ich endlich die Blaulichter sehen konnte.
Binnen weniger Minuten kamen Sanitäter reingestürmt und versorgten Reece. Ich blieb am Fenster stehen und betrachtete die Szene mit Schrecken. Jemand legte eine Decke um mich, dich ich dankbar annahm. »Geht es Ihnen gut?« wollte der Mann wissen, der mir die Decke gegeben hat. Ich schaute ihn einige Sekunden verwirrt an, ausser instanden, seine Frage zu beantworten. Schließlich nickte ich. »I-ich glaub schon.« antwortete ich. »K-Kann ich vielleicht mit ins Krankenhaus?« Der Mann, der bestimmt davon ausging, das Reece
mein Freund war, stimmte dafür und nickte. Die nächsten Stunden nahm ich nur noch durch eine Art Schleier wahr. Entführung hin oder her, Reece war in Sachen Mord an Holly unschuldig. Erst jetzt verstand ich Hollys unzählige Nachrichten an Reece, wo sie ihm helfen wollte. Er hatte ganz offensichtlich ein Drogenproblem.
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