Nach ca. einer halben Stunde kamen wir in eine weitere Stadt namens Jersey Shore an.
Ich zweifelte etwas daran, das man hier tatsächlich einen Klamottenladen fand. Naja... ich lebte auch in der Vorstellung, das sie mindestens eine Etage eines Einkaufscenters einnahm.
Tatsächlich gab es einen mittelgroßen Laden. Es stellte sich aber bald raus, das es ein Second-Hand-Laden war. »Ist Madam etwa nicht zufrieden, das sie gebraucht sind?« rief er. Mittlerweile hatte er sich etwas beruhigt, doch es schwang immer noch ein gereizter Unteron mit.
Er musste grad sowas sagen! Wer trug denn da die teuersten Designerklamotten? Ich schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich nicht.« Was nur der Halbwahrheit entsprach. Nachdem wir das Thema im Auto ausdisskutiert hatten, folgte Reece mir tatsächlich in den Laden. Eine Frau mittleren Alters mit schulterlangen, braunen Haaren begrüßte uns ebenfalls überaus freundlich.
Mir war es etwas unangenehm, in einen Second-Hand-Laden nach Unterwäsche zu fragen. Gab es sowas überhaubt zu kaufen? Die Frau war über meine Frage, die ich ganz vertrauensvoll in Flüsterton stellte, anfangs etwas verwirrt. Meine Befürchtung wurde wahr, als sie mich vorwarnte, das es sich um die Unterwäsche, die sie anbot, ganz bestimmt keine Katalogware war. Inständig hoffte ich, das es keine
Riesen-Schlüpfer waren... Während die ältere Dame im hinteren Teil des Raumes verschwand, schaute ich mich ein wenig um. Ich hätte nie erwartet, das es auch Second-Hand schöne Kleidung gab. Ich sah ein bezauberndes Oberteil mit Rüschen. Und eine etwas abgetragende Jeans in schwarz. Ich schaute an mir herunter. Neue Kleidung, ob gebraucht oder nicht, wäre nicht schlecht. Ich warf einen Blick auf Reece, der
sich desinterssiert einige Hemden anschaute. Als ich neben ihn trat, setzte ich mein lieblichstes Lächeln ein. Reece schien meine Gedanken erraten zu haben. »Lass mich raten; du hast noch etwas gefunden?« Ich nickte schüchtern und zeigte ihm das Oberteil und die Jeans. Er begutachtete sie mit stirnrunzelnden Blick, stimmte aber dennoch zu, sie ebenfalls zu kaufen. In dem Moment kam die Frau wieder nach vorne und trat an unsere Seite.
Die gute Nachricht war, es waren keine Riesen-Schlüpfer. Aber wie sie erwähnt hatte, war es auch keine Katalogwäsche. Es handelte sich um Hot-Pants-Ähnliche-Teile. Doch ich gab mich mit dem zufrieden. Blöd nur, das Reece daneben stand, der sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen konnte. Rasch nahm ich die Sachen an mich und wir gingen nach vorne zur Kasse.
Unglaublicherweise zahlten wir, naja, bzw. Reece nur 40 Dollar. Äußert zufrieden stieg ich in das Auto ein und begutachtete während der ganzen Fahrt meine kleinen Schätze.
Der Tag neigte sich langsam den Abend zu. Wir kamen in der Pension an, als die Sonne schon längst untergegangen war. Ich war müde und wollte nur noch schlafen. Dabei kam es mir gar nicht mehr in den Sinn, das Reece wohl seine Drohung wahrmachen würde. Die Müdigkeit war stärker und war mir letztendlich egal. Auch wenn unser Zimmer zweckmäßig eingerichtet war, enthielt es neben dem Bett einen Fernseher, eine kleine Kommode, einen großen Schrank und ein kleines Bad. Und ein kleiner Tisch stand an der Wand mit einen Stuhl, der als Schreibtisch dienen sollte.
Ich schnappte mir die Fernbedienung und zappte mit halber Aufmerksamkeit durch die Programme. Beinahe vergaß ich, das ich hier eigentlich die Geisel war und keinen Urlaub machte! Der Schlaf überrannte mich förmlich. Ich merkte noch, wie Reece an mir herantrat. Da das Licht im Zimmer eher gedämpft war, konnte ich nicht so recht erkennen, was er in der Hand hielt. Er beugte sich runter zu meinen Bein und ich spürte etwas Kaltes. Verwirrt schaute ich nach unten. »Keine Handschellen?« fragte ich erstaunt. Ich sah, das eine lange Kette quer durch den Raum zog. Dessen Ende konnte ich nicht ausmachen.
»Während ich weg bin, kannst du dich hier frei in den Zimmer bewegen. Schließlich wirst du wohl auch auf Toilette müssen, oder? Sobald ich wieder zurück bin, nehme ich sie wieder ab. Und das Telefon habe ich zur Sicherheit auch entfernt. Erneut erteile ich dir den Rat, keine Dummheiten anzustellen.« Finster schaute er mich an und ich nickte, soweit es mir noch möglich war. Mir fielen bald die Augen zu. Als Reece sich erhob, schaute er noch einen Augenblick länger auf mich herab. »Ich komme in ein paar Stunden wieder.« rief er und ging zur Tür hinüber. »Ist ok. Viel Spaß.« murmelte ich und machte mich im Bett bequem.
Noch immer war mir etwas mulmig zumute, gefangen zu sein. Doch das Wichtigste war, das ich ein Bett hatte. Und mich Reece größtenteils in Ruhe ließ. Während der Fernseher im Hintergrund weiterplärrte, versank ich in Träume.
Erstaunlicherweise hatte ich die Nacht gut geschlafen. Als ich die Augen aufschlug, dachte ich sogar für den Bruchteil einer Sekunde, ich wäre daheim, bei Liam. Doch die Realität holte ich mich ein und ich setzte mich auf. Ich schaute mich um und erblickte Reece auf den Stuhl im Zimmer. »Seid wann bst du wach?« fragte ich und rieb mir die Augen. »Eine ganze Weile.« antwortete er knapp und beobachtete mich weiter. Ich wollte gerade aus dem Bett steigen, da fiel mir auf, das ich immer noch diese Fußfessel umhatte. »Kannst du die nicht abnehmen?« beklagte ich mich. Doch Reece schüttelte mit den Kopf. »Kommt gar nicht in Frage.«
Abermals zog ich einen Schmollmund und kniff meine Augen zusammen. Mir kam die Idee, ihn über Holly und dessen Tod näher auszufragen. Schließlich war es immer noch meinen Ziel, ihren Mord aufzuklären. Und ihren Geist hatte ich es auch versprochen. Mehr oder weniger. »Wie hast du Holly eigentlich kennengelernt?« fing ich an und zog meine Beine wieder zurück unter die Decke. Leicht stirnrunzelnd sah mich Reece an. Er zündete sich erneut eine Zigarette an, ehe er antwortete: »Auf einer kleinen Geburtstagfeier meiner Tante.« Er senkte den Blick und studierte stattdessen den Teppichboden. »Habt ihr euch schon vorher gekannt?« fragte ich weiter nach und schaute ihn neugierig an.
»Nein.« Er nahm einen langen Zug von der Zigarette. »Hätte ich sie nicht kurz kennengelernt, würde ich sie gar nicht weiter beachten.« Autsch, das klang hart. »Aber ihr wart doch Freunde, oder?« erkundigte ich mich, worüber Reece ein klein wenig lächeln musste. »Freunde? Wird das hier ein Verhöhr?« Scheinbar hatte er meinen Plan durchschaut, denn sein Blick wurde hart. Ich hob die Hände. »Natürlich nicht!« rief ich sofort. »Ich möchte doch nur, das der Mord an ihr aufgeklärt wird.« Ernst und zugleich ungläubig sah er mich an. »Falls du immer noch glaubst, ich hätte sie umgebracht, stimmt das nicht. Suche deine Verdächtigen im engeren Kreise.«
Ich hob eine Augenbraue und sah ihn unsicher an. »Im engeren Kreise? Was meinst du damit?« Ich beugte mich weit nach vorne. Reece schnippte den Zigarettenstümmel wieder aus dem Fenster. »Vielleicht solltest du in den eigenen Reihen nach Verdächtigen suchen?« Er zuckte mit den Schultern. »Wie du das anstellst, ist mir egal. Bis auf weiteres bleibst du meine Gefangene.«
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