Montag, 27. August 2012

Kapitel 48

Während der Fahrt musste ich wohl wieder eingedöst sein. Erst als der Wagen zum stehen kam, öffnete ich langsam meine Augen. Doch ich erblickte nicht die vertraute Umgebung und der Straße, wo ich wohnte. Im Gegenteil, wir befanden uns plötzlich auf einer einsamen Bundesstraße. »Wo sind wir?« fragte ich verwirrt. »Haben Sie sich verfahren?« rutschte es mir raus und ich öffnete ungläubig die Augen. Zum ersten Mal drehte sich der Fahrer um und ich schnappte nach Luft. »Das kann ich nicht glauben...!« rief ich. Vor mir saß Reece Howard, der mich mich ernster Miene anschaute. Schlagartig wurde ich hellwach. »Was zum Teufel...!? Spinnst du eigentlich?« Eine ziemlich überflüssige Frage... (Und ich sehe Geister...) Doch Reece schien meine Reaktion vorhergesehen zu haben, und lehnte sich etwas weiter vor. »Betrachte dich als vorübergehnde Geisel. Nur solange, bis der Fall aufgeklärt habe. Denn ich habe Holly nicht umgebracht.« Mein Ärger wuchs. »Und du glaubst, eine Entführung macht das alles besser?!« Reece zuckte mit den Schultern. »Wenn du dich kooperativ verhälst, kann dir auch nichts passieren. Sonst bin ich gewzungen, andere Mittel anzuwenden.« Ich schwieg und ließ mich auf den Rücksitz zurückfallen. Das entlockte Reece ein Lächeln. »Na also. Das klappt doch schon ganz gut mit uns beiden.« Betrübt schaute ich aus dem Fenster. »Und wo fahren wir bitteschön hin?« Während er den Motor wieder startete, und das Radio aufdrehte, blieb mir eine Antwort verwehrt.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hielten wir in einer kleinen Stadt namens Lock Haven an. Wir waren also schon über die Grenzen hinaus. Es war eine Kleinstadt, und sie sah bezaubernd aus. Leider konnte ich das alles nicht wirklich genießen. Auch wenn mir Reece bisher nichts angetan hatte, war mir unwohl zumute. Wir hielten an einen unscheinbaren Gebäude im Zentrum an. Als Reece ausstieg und um das Auto ging, beobachtete ich jedem seiner Schritte. Die Geste, die Tür zu öffnen, hatte nichts Herzliches. Stattdessen wies er mich im rauen Ton an, auszusteigen. Nur mühsam kam ich auf die Beine, da wir so viele Stunden gefahren sind. »Wenn du versuchst zu fliehen oder Hilfe rufst, werde ich dich töten.« Ich schluckte und nickte. »In Ordnung.« Natürlich wollte ich Hilfe holen. Wir gingen auf den Eingang zu. Ich stellte sobald fest, das es sich um eine kleine Pension handelte. Die Rezeption war unbesetzt. Während Reece eine Klingel betätigte, wies er mich mit einen Nicken an, hinüber zu ihm zu kommen. »Wir geben uns als ein Paar aus, das ein paar Tage in Lock Haven verbringen will. Verhalte dich vollkommen normal. Und keine Spielchen!« rief er mir leise und bedrohlich zu. Mir blieb nichts anderes übrig, als dem all zuzustimmen. Augenblicke später erschien von einen Hinterraum ein kleiner, älterer Mann. Er begrüßte uns freundlich und lächelte hinter seiner kleinen Nickelbrille hervor. In dem Moment kam ich mir unendlich schuldig vor, das der Mann gar nichts von alldem wusste, wer eigentlich vor ihm stand. Reece übernahm das Reden, während ich nur zuhörte und manchmal zustimmend nickte oder lächelte. Als alle Formularitäten erledigt waren, deutete der ältere Mann auf die Treppe, die in den ersten Stock führte. Erstaunlicherweise sah das Zimmer sauber und ordentlich aus. Vielleicht nur etwas altmodisch und einfach eingerichtet. Ich musste wohl nicht erwähnen, das nur ein einziges Bett im Raum stand. Ein Schauer lief mir über den Rücken. »Du willst doch nicht etwa, das wir uns beide ein Bett teilen!?« rief ich leicht nervös. Erneut kam es mir vor, als würde ich Liam betrügen. Nur das dies hier ungewollt war. Reece, der am Fenster stand und auf die Straße schaute, drehte sich zu mir um. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und der Qualm verbreitete sich auch sogleich im Zimmer. »Rauchen kannst du auch draussen...« murmelte ich. Reece, der äußert erfreut über meine Reaktion erschien, antwortete: »Natürlich nicht. Allerdings lasse ich der Lady den Vortritt, das Bett zu nutzen. Ich werde ohnehin nicht großartig dazukommen, zu schlafen.« Ich sezte mich aufs Bett und seufzte erleichtert. Da hatte ich wenigstens eine Sorge weniger. »Na ein Glück...« murmelte ich wieder vor mich hin. Doch ehe ich mich versah, bließ Reece unmittelbar neben mir den Rauch seiner Zigarette aus. Mein Herz schlug gleich einen Takt schneller und ich verkrampfte mich. »Natürlich gibt es da ein paar kleine Einschränkungen.« flüsterte er mir zu. Langsam drehte ich mich zu ihm um und sah ein bitterböses Grinsen. Das bedeutete sicherlich nichts Gutes. Und als er wahrhaftig ein paar Handschellen hervorholte, wäre ich beinahe aufgesprungen... oder hätte geschrieen... oder ihn geschlagen... irgendetwas. Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen schaute ich wie hypnotisiert auf die beiden Teile. »D-das ist nicht dein Ernst...!« rief ich und schaute ihn panisch an. Als er meinen Arm umfasste, schrak ich heftig zusammen. »Keine Sorge.« rief er unbekümmert und nahm einen weiteren Zug von seiner Zigarette. »Es dient nur der Sicherheit. Und um dir deine Angst zu nehmen, ich werde dich am Bettgestell anbringen.« Wie schlimm konnte es eigentlich noch kommen!? Erst die Entführung und dann würde ich an das Bett gefesselt werden? Wie gerufen kamen da alle die schrecklichen Erinnerungen von Aaron und dem einen Spinner vom Chat wieder hoch. Eine Welle der Übelkeit überrollte mich und ich schnappte nach Luft. »N-Nein...« brachte ich hervor, während ich mich behrrschen musste, keinen Heulkrampf zu bekommen. Reece schien das völlig gleichgültig zu sein. Er stand auf und steckte die Handschellen wieder ein. »Fang bloß nicht an zu heulen.« riet er mir und schaute wieder aus dem Fenster. Ich schluchzte ein paar Mal, zwang mich dann aber, ruhig zu bleiben. Minuten der Stille verstrichen. »Was ist eigentlich mit sauberer Kleidung?« fragte ich kleinlaut. Ich drehte mich zu ihm um, vermied aber jeglichen direkten Blickkontakt. Auf der Suche nach einen Aschenbecher wirkte Reece nachdenklich. Wie nicht anders zu erwarten, gab es in diesem Raum keinen. Kurzerhand machte er das Fenster auf und schnippte sie nach draussen. Kaum hatte er es wieder geschlossen, zündete er sich die Nächste an. Er zuckte mit den Schultern und ich zog einen Schmollmund. Wenn wenigstens saubere Unterwäsche dabei wäre...

Als die zweite Zigarette fast aufgeraucht war, kramte Reece in seiner Tasche und holte sein Portemonnaie hervor. Neugierig musterte ich ihn. »Damit du nicht auf dumme Ideen kommst, gehen wir selbstverständlich zusammen.« Wäre meine Lage nicht so verdammt ernst gewesen, hätte ich am liebsten laut losgelacht. War das sein voller Ernst? Ich suchte nach einer Regung in seinen Gesicht, einen Zucken, irgendwas, doch Reece meinte es tatsächlich so. Mir blieb wohl nichts anderes übrig, als dem zuzustimmen. Auch wenn es mir ganz und gar nicht gefiel. »Du wirst doch wohl dazu nicht deine persöhnliche Meinung abgeben, oder?« fragte ich argwöhnisch nach. Doch er grinste mich wieder nur an. »Wenn du es so willst...« »NEIN!« rief ich sofort und war ein Kissen nach ihm, was er mit Leichtigkeit abfing. »Was sollte das?« Er hob eine Augenbraue und schaute mich missbilligend an. Ich hob entschuldigend die Hände, obwohl es lächerlich war. Es war meine Intimsphäre und nur eine einzige Person sollte daran teilhaben. Schließlich stand ich auf und wartete darauf, das wir wieder nach unten gingen. Als wir wieder in das Auto stiegen, wies mich Reece diesmal an, vorne neben ihn zu sitzen. Wir blieben nicht in Lock Haven sondern fuhren in eine andere Stadt. Ich erfuhr wieder nichts und schaute etwas gefrustet aus dem Fenster. Meine Gedanken schweiften zu Liam. Hatte er mitbekommen, das etwas nicht stimmte? Mir kamen beinahe wieder die Tränen und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als in seinen Armen zu liegen. Plötzlich fiel mir ein, das ich in meiner Tasche noch mein Handy hatte! Warum bin ich darauf nie schon viel früher gekommen? Während Reece konzentriert fuhr, zog ich langsam meinen einzigen Retter hervor. Natürlich drehte ich Reece den Rücken zu und tippte mit zittrigen Fingern eine Nummer ein. Doch in dem Moment wurde ich herumgerissen und er schaute mich mit wütenden Blick an. Ein bedrohliches Knurren drang aus seiner Kehle und er entriss mir, obwohl er nebenbei noch Auto fuhr!, das Handy und warf es kurzerhand aus dem offenen Fenster. Geschockt schaute ich ihn an. Innerhalb kürzester Zeit hatte ich ein weiteres, brandneues Handy verloren. »W-was...« stotterte ich und schaute mit traurigen Blick auf den hinteren Teil der Straße. »Spinnst du!? Das war so gut wie neu und ...« Mir fielen die Worte. Doch Reece´s Antwort ließ mich augenblicklich erstummen, als er wütend auf mich einredete: »Du verdammtes Miststück!« Gab es keine anderen Audrücke? Irgendwoher kannte ich das doch... »Ich habe dir gesagt, du sollst keine Spielchen mit mir spielen!« Er schrie beinahe und ich wollte mir schon die Ohren zuhalten. Wäre es möglich gewesen, hätte er mich geschlagen. Langsam fragte ich mich, was Holly wirklich, wirklich an diesem Typen fand. Er war herzlos, kalt und ihm war vieles gleichgültig. Wie konnte sie nur an solch einen Typen ihr Herz verloren haben?

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