Zunächs musste ich mich erstmal an das Tageslicht gewöhnen, und blinzelte verwirrt geradeaus. Mein Blick wurde klarer, und ich erkannte als allererstes ein Riesenrad!
Mit offenen Mund schaute ich Liam an, der über meine Reaktion lächelte. »Das heißt, es gefällt dir?« Ich nickte, denn vor Überraschung brachte ich kaum ein Wort hinaus.
»Dann lass uns hineingehen.« Er nahm meine Hand und führte mich zum Eingang. Dort erwartete uns schon eine große Schlange wartender Menschen. Doch auch als dies überstanden war, holten wir uns an einen
Verkaufsstand eine riesige Portion Zuckerwatte. »Das Teil überragt mich ja beinahe.« staunte ich und nahm ein Stück von der klebrigen Masse. »Wie wärs mit einen riesigen Stofftier? Das z.b. da.« Liam zeigte auf einen
riesigen Plüschhasen in Rosa. Doch so ganz konnte ich mich darüber nicht freuen. »Ich mag kein Rosa.« maulte ich. »Und was will ich damit? Wo soll ich das denn hinstellen?« Bevor ich weiterklagen konnte, brachte mich
Liam zum schweigen, indem er sich runterbeugte und mich küsste. Wir blieben einen Moment stehen und ließen den Moment auf uns wirken. »Dann doch lieber das Riesenrad.« murmelte ich und endlich lösten wir uns wieder. Als wir
ankamen, hatten wir die Hälfte der Zuckerwatte hinter uns. Über uns ragte das Stahlmonster mit seinen bunt fröhlichen Gondeln. Fast an jeder Attraktion waren lange Schlangen. Besonders bemerkenswert war, das wir nicht
das einzige Pärchen waren. Vorsichtig nahm ich gegenüber von Liam meinen Platz sein. Einige Sekunden später setzte sich das Rad in Bewegung. Meter für Meter konnte ich immer höher sehen und die Menschen unter uns sahen bald wie
kleine Ameisen aus. Dann, in der Mitte, stoppte es plötzlich und kam leicht wankend zum stehen. Ich umklammerte die Tür der Gondel. »Hast du etwa Höhenangst?« Liam schaute mich verwirrt an. Mutig schüttelte ich den Kopf. Schwächen
preiszugeben mochte ich es gar nicht. »Nein.« rief ich. »Wo denkst du nur hin?« Als Beweis ließ ich meine Hand los und griff stattdessen nach der Zuckerwatte, dessen Stiel ich immer noch hielt. Ich wollte gerade nach einen Stück greifen,
als eine Windböhe uns erfasste, und nicht nur die Gondel zum schaukeln brachte, sondern auch das begehrte Zuckerstück wegwehte. »Nein!« rief ich und streckte meine Hand danach aus. Für einen Moment wollte ich schon beinahe hinterherhechten, wäre
da bloß nicht die Tatsache, das ich in der Luft war und defenitiv keine Flügel zum fliegen hatte. Eine starke Hand ergriff meine Taille und ich schaute mich verwirrt um. »Was sollte das denn gerade?« Liams Gesicht enthielt eine Mischung aus Besorgnis und Ärgernis.
Ich setzte mich wieder an meinen Platz zurück, doch er ließ mich immer noch nicht los. Etwas musste ich blinzeln. »Ähm...« brachte ich heraus. »Das frage ich mich auch. Nicht das du glaubst, ich will mich umbringen!« Erschrocken über meine eigenen Worte schaute ich ihn an.
Doch Liam strich mit sanft durch das Haar und zog mich abermals zu sich. Einen kleinen Kommentar konnte ich mir dennoch nicht verkneifen: »Viel süßer als Zuckerwatte.«
Als wir unten wieder ankamen, war ich schon etwas froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Ich glaube, an große Höhen kann ich mich nicht ganz gewöhnen.
Die Stunden vergingen, und wir schlenderten weiter durch den Vergnügungspark. Wir hatten einen Platz gefunden, an dem nicht so die Massen waren. Sogar eine kleine Allee zeigte uns den Weg.
Es war ein friedlicher Moment und auch das Schweigen machte mir nichts aus. Denn selbst das konnte einen Moment perfekt machen. Doch die Stille zeriss, als plötzlich Schüsse fielen. Zunächst nur weit entfernt, und wir beide nahmen auch erst gar
keine Notitz von dem Geräusch. Im ersten Moment würde man wohl an ein Nebengeräusch von einen der Fahrgeschäfte denken. Doch dies stellte sich schon bald als Trugbild dahin, denn die Schüsse wurden immer lauter und kamen auch immer näher.
Wir blieben stehen und schauten uns unsicher um. Liam stellte sich sogleich schützend vor mir, doch hinter seiner Schulter schaute ich ebenso angestrengt mich nach allen Seiten um. Auch die anderen Menschen um uns begannen, sehr nervös zu werden.
Einige rannten weg, andere riefen etwas, und wiederrum andere gingen in Grüppchen zusammen. Erst als einSchrei unmittelbar neben uns fiel, wussten wir, das jemand getroffen sein musste. Ruckartig drehte ich mich um und meine Augen weiteten sich.
Vor mir lag ein angeschossener, schwer verletzter Mensch! Mein Mund öffnete sich, doch brachte ich keinen Ton über die Lippen. Erst als eine Kugel über unsere Köpfe hinweg in einen Baumstamm hineinflog, riss mich Liam auf den Boden, um sich schützend auf mich zu legen.
Es fielen noch weitere Schüsse, doch soweit ich es das beurteilen konnte, wurde niemand mehr verltzt. Doch die ganze Zeit konnte ich meine Augen nicht von den Menschen lassen. Minutenlang blieben wir regungslos auf den Boden. Als wir nur noch den Wind durch die Blätter vernahmen,
richteten wir uns langsam auf. Ich klammerte mich förmlich an Liam, als er mich hochzog. Ich vergrub mein Gesicht an seiner Brust, als wir die ersten Sirenen der Polizei hörten.
»Das ist aber eine Überraschung, dich hier anzutreffen.« Verwundert drehte ich mich um und sah in die Augen einer Kollegin. Doch es war nicht nur einfach irgendeine Kollegin. Nein, es handelte sich dabei um Cheryl Martinez. Eine tempramentvolle, junge Frau mit feuerrotem Haar.
Ich lächelte leicht zu ihr herüber und löste mich langsam von Liam. »Freut mich auch dich hier... zu sehen.« Für private Gespräche blieb allerdings wenig Zeit. Das mussten wir also auf ein anderes Mal verschieben. Während man von jeder Person die Personalien aufnahm, sowie befragte,
was geschehen sei (uns miteinbezogen), sperrten weitere Beamten den Tatort ab und brachten die Leiche fort. Viel konnten wir zu den Vorfall nicht sagen. Die Schüsse konnten aus allen Richtungen kommen, zumal Bäume großen Schutz boten. Als wir fertig waren, schickte man uns nach Hause.
Ich warf noch einen letzten Blick auf Cheryl, die kurz die Hand hob, ehe wir loszogen. Auf den Heimweig nahmen wir uns ein Taxi. Mir war gar nicht gut zumute, heim zu laufen. Und all meine Energie schien auch aufgebraucht zu sein. Insgeheim fragte ich mich allerdings, ob ich in den Fall miteinbezogen werden würde oder nicht.
Ich würde es gleich am nächsten Tag erfahren.
Daheim angekommen, fiel ich wie ein Stein auf die Couch. Ohne Worte bereitete mir Liam einen Tee zu, während er Kaffee bevorzugte. Schweigend saßen wir aneinander und zappten uns durch das Abendprogram.
Mir fielen irgendwann die Augen zu, doch durch Alpträume geplagt, fand ich nur wenig Schlaf.
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