Sonntag, 19. August 2012

Kapitel 28

Mein Atem ging stoßweise und ich schaute mich hektisch um. Konnte es wirklich möglich sein, das Liam überlebt hatte? Es sprach einiges dafür, denn die Polizei hatte sich immer noch nicht gemeldet. Mit zittrigen Händen las ich abermals diese beiden, kurzen Sätze. Beinahe brachten sie mich um den Verstand, und ich musste mich behrrschen, vor all den Leuten nicht gleich vor Freunde loszuheulen oder zu schreien. Denn mein Herz befahl mir, unverzüglich zur Höhle zu gehen. Doch eine kleine, mahnende Stimme, tief in mir, fragte sich, warum Liam dann nicht hier aufgetaucht war. War der Brandstifter und wohlmöglich Mörder hier unter uns? Bei dem Gedanken bekam ich eine Gänsehaut. Ich schaute mich nocheinmal um und studierte die Gesichter genau. Vielleicht hatte jemand etwas gesehen, während ich weggewesen war? Suchend schaute ich mich nach Vivian um, und erblickte sie Augenblicke später. Sie stand neben ihrer Cousine, das Geburtstagkind und ein paar anderen Leuten. Alle lachten über etwas und ich zupfte Vivian unauffällig am Ärmel. Sie schaute verwundert nach hinten, und als sie mich sah, lächelte sie freundlich. »Du musst nicht schüchtern sein. Komm ruhig her.« meinte sie zu mir und wollte mich gerade in die Runde ziehen. Doch ich blockte ab und zog sie zur Seite. »Ich muss dich was fragen.« zischte ich so leise wie möglich, um nicht die Aufmerksamkeit der Anderen zu erregen. Vivian kam mit mir und wir gingen an ein Fenster. »Was gibts denn?« fragte sie. Ich hielt ihr den Zettel entgegen. »Hast du vielleicht jemanden an meinen Tisch gesehen?« Ich hielt ihn ihr nur kurz hin, da ich Angst hatte, sie würde sich ihn genauer durchlesen. Doch Vivian schüttelte mit nachdenklicher Miene den Kopf. »Nein. Tut mir Leid.« Ich wendete mich von ihr ab und ging nach draussen. Sollte ich der Nachricht nachkommen? Oder hierbleiben? Ich spielte tausend Situationen in meinen Kopf durch und beschloss, zur Höhle zu gehen.

Etwas mulmig war mir schon, als ich den Waldweg zur Höhle entlangging. Die letzten Tage hatte es mehr geschneit, so das der Schnee liegen geblieben ist. Jetzt knirschte er unter meinen Stiefeln. Sorgevoll schaute ich mich immer wieder um. Ob Liam mich beobachtete? Einmal hatte ich sogar das Gefühl, hinter einen Baum würde direkt jemand stehen. Doch ich tat es als Fantasie ab und ging zügig weiter. Die Höhle lag noch genauso unverändert vor sich, wie ich sie zuletzt gesehen hatte. Es hebte sich ein deutlicher Kontrast zum Schnee ab. Ich schaute nach Fußspuren, konnte aber keine entdecken. Verwirrt hob ich meine Augenbrauen. Wie lange war dann Liam schon hier? Zögerlich ging ich auf den Eingang zu. Als ich davorstand, stützte ich mich an der Seite ab und schaute angestrengt in die Dunkelheit. Wieder kroch in mir das Gefühl auf, Liam oder gar Cathrin zu sehen. Doch es geschah nichts dergleichen. Ich ging einen Schritt hinein und rief: »Liam? Bist du da?« Niemand entgegnete mir eine Antwort. Wirklich komisch. War das alles etwa ein Scherz? Ich versuchte mein Glück erneut und ging weiter in die Höhle hinein. »Liam! Ich bin es, Laurie! Ich habe deine Nachricht erhalten. Du kannst rauskommen!« Meine letzten Worte hallten von den Wänden zurück. Für ein paar Minuten blieb ich unbeweglich stehen. Als ich mich vergewissert hatte, das niemand außer mir da war, wollte ich gerade umdrehen, als ich zwei Hände an meinen Armen spürte. Kalte und heiße Schauer liefen mir im ersten Moment über den Rücken, wurden sie von dem Glücksgefühl, endlich Liam zu sehen, überlagert. Aber es handelte sich nicht um ihn. Ganz und gar nicht. »Du sitzt in der Falle.« flüsterte eine Stimme in mein Ohr.

Meine Augen weiteten sich und zu der Nervösität paarte sich eine gewisse Übelkeit dazu. Ich wollte mich loßreißen, schreien, irgendetwas tun, damit ich von dieser Person wegkam, aber all das nützte nichts. Die Hände von Aaron schloßen sich immer fester um mich. »Lass mich los!« verlangte ich, doch er dachte gar nicht daran. »Wenn du nicht so sehr rumzappelst, muss ich dir auch nicht wehtun.« drohte er mir mit leiser, aber bestimmter Stimme. Ich hörte aprupt auf. Mein Herz raste und ich hatte das Gefühl, es würde gleich explodieren. Auch wenn sich mein Mund staubtrocken anfühlte, brachte ich unter Mühen folgende Frage zustande: »Was willst du hier?« Aaron gab zunächst keine Antwort. Stattdessen stieß er mich nach vorne und eine Taschenlampe ging an. Ihr Lichtstrahl erhellte den vorderen Teil des Inneren. Ich hörte ein Klicken und Augenblicke später spürte ich den Lauf einer Waffe in meinen Rippen. »Geh weiter!« rief er und gab mir einen kräftigen Stoß. Hätte er mich immer noch nicht in seinen Armen gehalten, wäre ich garantiert nach vorne gestolpert. Ich tat, was mir befohlen wurde. Während ich voller Angst nach vorne lief, musste ich unweigerlich zittern. Mein Hirn ratterte alle möglichen Szenarien vor, die bis zum Tod reichten. Ich schluckte und ein Kloß bildete sich in meinen Hals. Ich wusste nicht, wie weit wir noch vordrangen, doch irgendwann hielt mich Aaron zurück und ich blieb stehen. »Was hast du vor?« fragte ich und wollte mich umdrehen. Ich sah in das spärlich beleuchtete Gesicht von ihm, was ihn in ein unheimliches Licht tauchte. Meine Frage blieb unbeantwortet, stattdessen rief er mit schroffer Stimme: »Leg dich hin und zieh deinen Mantel aus.« Mir stockte der Atem. »M-Moment mal... Ich soll was!?« rief ich leicht empört, doch da spürte ich wieder den Lauf der Waffe. Mit einer knappen Kopfbewegung wies er mich zurecht. Ich zog meinen Mantel aus und erneut bekam ich eine Gänsehaut. Es war eisig kalt in der Höhle. Und das spürte ich auch, als ich mich auf den Boden legte. Mit großen Augen schaute ich zu Aaron hinauf, der mich mit einen kalten Blick anschaute. Ich bewegte mich keinen Millimeter und mein Atem ging nun flach und schnell. Es dämmerte mir, das Aaron wohlmöglich das beenden wollte, was er in der einen Nacht angefangen hatte. Zu meiner Rettung kam Liam, doch diesmal war er nicht da. Genau! Liam! »W-Wo ist eigentlich Liam?« fragte ich mit zittriger Stimme. Er beugte sich zu mir runter, so, das er fast auf mich lag. Ich schluckte und hatte keine Zweifel, das es diesmal tatsächlich geschehen würde. Die Vorstellung, hier in der Höhle einer Vergewaltigung zum Opfer zu fallen, machte mich beinahe Wahnsinnig. »Er wird nicht kommen. Weißt du Liebes? Du bist auf meine Nachricht reingefallen. Liam ist tot. Das weißt du doch.« lächelte er grausam. Ich erwiederte nichts, sondern starrte ihn gebannt an. Ich musste unbedingt Zeit gewinnen! »D-Die Nacht in der wir oben in der Scheune waren. H-Hast du sie etwa...?« Ich wagte es nicht, den Satz zuende zu sprechen. Zu furchtbar war die Vorstellung. Doch Aarons Lächeln wurde breiter. »Eine süße Vorstellung war das.« antworte er und beugte sich dicht an mein Ohr herab. »Ich bin mir sicher, das lässt sich wiederholen.« Ein erstickter Laut drang aus meiner Kehle. Seine Hand glitt plötzlich unter mein Kleid und ich begann zu wimmern. Er hielt inne und sprach weiter. »Weißt du? Ich kann es dir einfach machen. Entweder erschiesse ich dich hier und jetzt oder ich stoße dich da hinab in die Tiefe, wie es Cathrin widerfahren ist. Natürlich ist dabei nicht der Spaß zu vergessen.« Ein unheimliches Kichern entlitt seinen Lippen. In meinen Kopf begannen sich Puzzleteile zusammenzufügen. »Du willst mir doch nicht etwa sagen, das du vor zwei Jahren Cathrin umgebracht hast?« Aaron nickte. Und das genügte, um mir all die Unfälle zu erklären, die mir bzw. Liam passiert waren. »Dann hast du all dies Unfälle verursacht....« Aaron schaute zur Seite. »Ja. Ich musste dich beseitigen. Wo ich erfuhr, das du vorhattest, den Mord an Cathrin aufzuklären, musste ich etwas unternehmen. Sonst wäre der Fall wohlmöglich erneut vor dem Gericht gelandet. Mein Plan wäre dahin.« Er schaute mich mit einen kaltherzigen Blick an. »Was war mit Vincent?« fragte ich weiter und versuchte, meine Position zu ändern.

Aaaron zuckte mit den Schultern. »Er kam wohl damit nicht zurecht, unschuldig im Gefängnis zu landen. Sein Selbstmord kam mir gelegen. So glaubte ohnehin jeder, das er der Mörder war.« Er war tief in Gedanken versunken und redete weiter. »Es ist schon ein komischer Zufall, das ich dich genau wie vor zwei Jahren, in diese Höhle locke. Denn das passierte auch der lieben Cathrin. Sie und Vincent streiteten sich tatsächlich in der Tatnacht und voller Wut lief sie mir dann hier in die Arme.« Er seufzte glücklich. »Ich fand die Kleine immer schon süß. Genau wie ihre Schwester Valerie. Beide wollten allerdings nichts von mir wissen. Cathrin begründete ihre Abwesenheit gegenüber mir, das wir nur Freunde wären und sie mit Vincent zusammen sei. Sie wollten sogar heiraten.« Ein angeekelter Gesichtsausdruck legte sich auf sein Gesicht. »Die Höhle war von beiden ein geheimer Treffpunkt. Doch in dieser Nacht wollte ich Cathrin ganz für mich allein haben. Der Streit ist wegen ein paar kleinen Gerüchten entfacht wurden und schon hatte ich beide da, wo ich sie haben wollte.« Er hörte auf und schaute mich mit einen gewissen begehrenden Blick an. Übelkeit kam erneut in mir auf. Er musste gar nicht weiterreden. »Sie hatte sich gewehrt, das dumme Ding. Aber am Ende...« Jetzt beugte sich Aaron zu mir herunter. Ich konnte seinen Atem an meinen Hals spüren. Er drückte mir einen Kuss auf. »Sie wollte alles der Polizei sagen, da musste ich sie aus dem Weg schaffen. Nur wenige Meter hinter dir geht es tief hinab. Da hinunter habe ich sie gestoßen.« »D-Du mieses Schwein!« stieß ich hervor und handelte mir dafür eine Ohrfeige ein. »Halt deine Klappe! Dir wird es nicht anders ergehen. Man wird auch deine Leiche nie finden.« Seine Erkundungstour ging weiter und Aaron machte sich nun langsam meine Strumpfhose runterzuziehen. Ich zappelte heftig und stieß ihn mit meinen Armen weg, doch diese drückte er mit seiner linken Hand gewaltsam nach unten. »Es wird nicht wehtun.« versprach er. »Wenn du schön mitmachst.« Ich spürte den kalten Stein auf meiner nackten Haut, doch gleichzeitig war mir heiß. Fieberhaft suchte ich nach neuen Fragen, um ihn aufzuhalten. »W-Was geschah dann mit Valerie?« Meine Strumpfhose war nun so weit entledigt, das ich sie nicht mehr hochziehen konnte. Aaron schaute zu mir herauf. »Sie hat sich selbst mit ihren Verhalten in die Klapse gebracht. Es kam sogar der Verdacht auf, sie hätte ihre Schwester aus Eifersucht ermordert, da sie ebenfalls in Vincent verliebt war. Vor ihr musste ich also auch keine Angst haben, das sie wohlmöglich auspackte. Sie hätte sich selbst verdächtig gemacht.« Seine Hand glitt in meinen Slip und ich kniff die Augen zusammen. »L-Lass das.« flehte ich, doch Aaron zeigte keine Gnade. Nein, es gefiel ihm regelrecht. Während er meine Klitoris stimmulierte, machte er sich daran, seinen Hosengürtel zu öffnen. Ich keuchte auf und wollte mich abermals befreien. Doch Aaron drückte mich gewaltsam mit seinen gesamten Körper auf den Boden. Ich bekam kaum noch Luft. »Du wirst hier unten so oder so verrecken. Sieh es positiv, im Jenseits siehst du deinen Geliebten wieder.«

Beinahe schenkte ich seinen Worten Glauben. Ich kam an einen Punkt, an dem ich tatsächlich mit meinen Leben abschloss. Ich hörte auf mich zu wehren und ließ ihn unweigerlich gewehren. Wie eine Stoffpuppe ließ ich alles mit mir machen. Ich schloss meine Augen und hoffte, das alles schnell vorüber sei. Ob die Zeit schnell oder langsam verging, konnte ich nicht sagen. Vielleicht war ich weggedöst, doch plötzlich hörte ich eine Stimme. Ich wollte meine Augen aufreißen, doch aus irgendeinen Grund gelang es mir nicht. Ich warf meinen Kopf hin und her. Die Schwärze vor meinen Augen lichtete sich langsam und ich erkannte Cathrin. Träumte ich etwa? »Hilf mir!« whisperte ich und streckte meinem Arm nach ihr aus. Doch sie erwiederte ihn nicht. Stattdessen schaute sie mich mit einen mitleidigen Blick an. »Nimm die Waffe.« flüsterte sie mir zu und berührte mit ihren Fingerspitze zaghaft mein Gesicht. Ich riss die Augen auf und befand mich wieder in der Realität. Vage drangen Geräusche von Aarons Gestöhne an mein Ohr. Ich versuchte es so gut es ging auszublenden und tastete auf den Boden verzweifelt nach der Waffe. Glücklicherweise lag diese nur wenige Zentimeter von mir entfernt. Da Aaron viel zu beschäftigt war, merkte er gar nicht, wie ich nach ihr griff. Überraschenderweise fühlte sich das kleine Teil unglaublich schwer in meiner Hand an. Ich war verschwitzt, und musste aufpassen, sie nicht fallen zu lassen. Hoffentlich war diese auch geladen... Mit verschwommenen Blick suchte ich mein Ziel und drückte wahllos ab. Der Knall war unglaublich laut und es pfeifte einen Moment in meinen Ohren. Ich hörte einen erstickten Schrei vor mir und sah, wie sich Aaron am Arm griff. Ich hatte ihn einen Streifschuss verpasst, doch das genügte, um mich zu befreien. Ungläubig starrte er auf seine Wunde und versuchte diese, irgendwie abzubinden. Das war meine Chance! Mit wackligen Beinen rappelte ich mich auf und stolperte den Ausgang entgegen. Doch das zu bewerkstelligen war gar nicht so einfach. Mein Blick war immer noch verschwommen und das Tageslicht konnte ich als winzigen Punkt ausmachen. Ich wagte es nicht, mich umzudrehen, denn ich hatte wenig Zeit, aus dieser Hölle herauszukommen. Mit letzter Willenskraft, die ich besaß, rannte ich die letzten Meter förmlich nach draussen. Ein komisches Déja-vu-Erlebniss erfasste mich, als ich nach draussen hechtete und gradlinks in die Arme von Liam fiel.

M-Moment mal...! Liam LEBTE!? Für einen Moment glaubte ich, es wäre eine Illusion, doch die Arme, die mich festhielten, waren echt. Mit tränennassen Gesicht und riesigen Augen schaute ich zu Liam hinauf. Auch wenn Brandwunden sein Gesicht entstellten galt sein Blick mir voller Wärme und trotz seiner Verwunderung, breitete sich ein kleines Lächeln aus. Ich wollte etwas sagen, doch aus meinen Mund kamen nur brockenartige Worte heraus. Als mein Gerede in Geheul rüberging, krallte ich mich an ihm und vergrub mein Gesicht in seiner Jacke. Ich begann erneut zu zittern und schluchzte fürchterlich. In diesem Moment tauchte Aaron auf, mit schmerzverzerrten Gesicht und einen zornigen Blick. »Du kleines Miststück!« rief er. Liam, der mich langsam hinter sich schob, schaute Aaron mit einen ruhigen, beinahe gelassen Blick an. »Du hast also doch überlebt, Delling!« grinste Aaron und stützte sich etwas an der Steinwand ab. Er keuchte schwer und der Ärmel war inzwischen blutgetränkt. »Dein Spiel ist vorbei.« entgegnete Liam und klang dabei siegessicher. Doch das schien Aaron nicht besonders zu jucken. Bis aufs Letzte wollte er seinen Plan vollenden. Ich erkannte, das er in seiner Hand die Waffe hielt, und diese mit zittrigen Fingern auf uns richtete. Er schwankte beachtlich und ich glaubte, er würde gleich umkippen. Er wollte gerade abdrücken, als ein weiterer Schuss ertönte. Instinktiv duckte ich mich und ich hatte die Befürchtung, jetzt wäre unser Ende gekommen. Langsam schaute ich über Liams Schulter hinweg und sah, das Aaron nun auf den Boden lag. Seine Waffe lag etwas abseits von ihm in Schnee. Er krümmte sich vor Schmerz, als der Schuss seine Handinnenfläche traf. Um ihn hatte sich inzwischen im Schnee eine kleine Blutlache gebildet. Und dann ging alles ganz schnell. Von überallher schienen Polizisten aufzutauchen und umstellten uns. Jemand rief etwas, doch ich hörte schon gar nicht mehr richtig hin. Man packte mich in Decken und brachte mich fort, wohlmöglich ins Krankenhaus. Konnte ich dieses Gebäude nicht fast schon als mein zweites Zuhause betrachten?

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