Sonntag, 19. August 2012

Kapitel 26

Ungläubig starrte ich auf das Szenario vor mir. Ruckartig wendete ich mich zu Liam und rüttelte ihn in wilder Panik wach. Er war sofort bei sich, als er das Feuerspiel vor sich sah. Ich wollte etwas sagen, doch mein Mund war staubtrocken. Mit großen Augen schaute ich ihn angsterfüllt an und wusste nicht so recht, was ich tun konnte. Während ich nach irgendwelchen Klamotten fummelte; ok, das hatte jetzt vielleicht wenig Sinn, war er bereits aufgestanden und suchte nach einen Ausweg. Aber es gab keinen. »Wir müssen hier raus! Sofort!« rief er mir zu und packte mich am Arm. Doch ich blieb regungslos an meinen Platz und verharrte mitten in der Bewegung. War da nicht gerade etwas vorbeigehuscht!? Wie hypnotisiert schaute ich auf den Eingang. Dabei merkte ich gar nicht, das langsam das Stroh unter mir Feuer fing. Willenlos ließ ich mich von Liam nach hinten ziehen. Er packte mich an meinen Schultern und rüttelte mich heftig. »Ich werde versuchen ein Loch in die Wand zu schlagen.« rief er mir zu. Doch ich schaute ihn nur mit glasigen Blick an. Ich hatte mich nicht geirrt. Am Eigang musste etwas sein. »Und dann verschwindest du von hier! Verstanden!? Du ganz allein!« Ich nickte, verstand aber den Sinn seiner Worte keineswegs. Plötzlich riss ich mich los und lief auf den Eingang zu. Liam schaute mich fassungslos an doch ich riss mich förmlich aus seinen Griff. Und da sah ich wieder diesen einen Schatten von vorhin. Langsam wurde sie zu einer weißen Hülle, allerdings konnte ich nicht erkennen, bei wem es sich dabei genau handelte. Entweder war es ein Geist, den ich nicht kannte oder ich war schon so von dem Rauch benebelt, das ich Halluzinationen hatte. Wobei beides keine Rolle spielte. Der Rauch wurde tatsächlich immer dichter und es kratzte mir immer mehr im Hals. Ich hielt meine Hand vor dem Mund, aber auch das hatte wenig Sinn. Ich war nur noch wenige Meter vom Eingang und noch weniger von den Flammen entfernt, als mich plötzlich jemand nach hinten zog. Es war Liam, der mich aus einer Mischung von Besorgnis, Wut und Irrsinn anschaute. Ich sah das sein Körper vor Schweiß glänzte. »Bist du vollkommen irre geworden!?« schrie er mich an. Was für eine relevante Frage... Ich schüttelte mit den Kopf. »Wir müssen dahin.« Ich zeigte mit den Finger auf die Scheunentür. Liam rüttelte mich abermals. »Willst du sterben? Das Loch ist fertig. Es ist groß genug, damit du hindurchpasst!« Ich schüttelte wieder mit den Kopf. »Aber...!« weiter kam ich gar nicht, denn Liam packte mich an meinen Handgelenk und zog mich gewaltsam mit sich.

Wir hatten ein gutes Stück zurückgelegt, bis vor uns ein Balken herunterkam. Ich zuckte zusammen und so langsam kam ich in die Realität zurück. »Wir sitzen in der Falle.« rief ich ängstlich und trat näher an Liam heran. Die Flammen kamen immer näher. Liam überlegte fieberhaft, was wir als Nächstes tun könnten. Er drehte sich zu mir um und schaute mich mit ernsten Blick an. Dann erigriff er meine Hände und sprach mit langsamer und deutlicher Stimme: »Es wird nur Einer von uns überleben können. Und das wirst du sein! Ich werde dich auf die andere Seite befördern und dann kriechst du direkt durch das Loch in der Wand in die Freiheit! Hast du verstanden!?« Mir kamen die Tränen und ich wollte protestieren. Ich sollte Liam hier zurücklassen!? Niemals! »Nein! Das will ich nicht!« erwiederte ich unter tränenerstickter Stimme. Doch er schüttlte den Kopf und umarmte mich ein letztes Mal. Ich erwiederte seine Umarmung und klammerte mich förmlich an ihm. Konnte dieser Moment nicht in alle Ewigkeit dauern? Ohne Vorwarnung hob er mich plötzlich hoch und schmiss mich mit aller Kraft auf die andere Seite. Ich kam hart auf und lag einige Sekunden regungslos auf den Boden. Von weitem hörte ich Jemanden meinen Namen rufen, bis ich meinen Kopf in die jeweilige Richtung drehte. »Bist du in Ordnung?« fragt mich Liam und beugte sich soweit wie möglich vor. Ich richtete mich langsam auf und griff mir an meinen Kopf. »I-Ich glaube schon. Aber was wird aus dir?« Noch immer wollte ich es nicht wahrhaben, das Liam nicht mitkommen wollte. Ein weiterer Balken kam herunter und verhinderte einen weiteren Fluchtweg. Mein Gesicht war inzwischen tränennass und ich begann zu husten. »LIAM!« rief ich noch einmal und wollte meine Hand ausstrecken. »Geh jetzt!« wies er mich an. »Und drehe dich nicht um!« Geschockt über seine Worte, kam schließlich auf die Beine und lief auf das Loch zu. Es war tatsächlich gerade so groß, das ich hindurchpasste. Trotzdem holte ich mir einige Holzsplitter. Dessen Schmerz ignorierte ich. Draussen empfing mich eine Eiseskälte und ich stürzte in das feuchte Gras. Hinter mir tosten die Flammen, doch ich wagte es nicht, mich umzudrehen. Ich kroch zu einen Baum, der in unmittelbarer Nähe stand und ruhte mich für ein kurzen Moment aus. Ob das Feuer auch die Baumkrone bereits ergriffen hatte, konnte ich nicht sagen. Mein Atem ging stoßweise und ich musste immer wieder stark husten. Ich zitterte am ganzen Leib und fragte mich, ob die Anwohner schon das Feuer entdeckt hatten. Weitere Balken kamen herunter und ich schaute mit geweiteten Augen in das Innere. Durch das Loch konnte ich Liam nicht mehr erkennen. War er umgekippt? Mein Herz raste und für einen Moment wollte ich wieder zurückkehren, um ihn herauszuholen. Erst als ein Großteil der Scheune einbrach, drang ein Schmerzensschrei aus meiner Kehle. Ich schrie in die Nacht hinein und konnte nicht glauben, was meiner Seele gerade entrissen wurde.

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