Verwirrt schaute ich auf. Hatte ich jetzt einen der Täter geschnappt? Ich merkte, das ich auf der Person drauflag. Langsam tastete ich mich vor, ehe ich am Gesicht verharrte und ein Räuspern vernahm.
»Kannst du mir verraten, was das werden soll?« Vor Schreck hätte ich beinahe aufgeschrieen. Das dürfte doch nicht wahr sein! Hatte ich eben ...!? Ich brachte kein Wort heraus, stattdessen starrte ich in die Augen des vermeindlichen Unruhestifters.
Was für ein Zufall, das in just diesen Moment das Mondlicht auf uns fiel. Und mein Blick hatte sich nicht getrübt! Hatte ich doch in meiner Rettungsmission tatsächlich Liam geschnappt... Sekundenlang starrten wir uns in die Augen. »Mit deinen Lärm hast du bestimmt die Täter vertrieben. Was sollte das eigentlich?«
Ich schüttelte leicht den Kopf. Noch immer brachte kein Wort über die Lippen. Vorsichtig rückte ich von Liam ab und saß nur wenige Zentimeter von ihn entfernt auf den Boden. Wortlos stand er auf und hielt mir die Hand hin. Ich nahm sie und ließ mich von ihm hochziehen.
»Ich schätze, das wärs dann mit der Rettungsmission, oder?« fragte ich kleinlaut, endlich wieder fähig, zu sprechen. Liam hielt mich immer noch an der Hand und ging hinüber zur Eingangstür des Mausoleums. »Scheint nichts kaputt zu sein.« Die beiden Flügeltüren wurden mit einen dicken Schloss zusammengehalten.
Nachdem wir uns nochmals vergewissert haben, das auch wirklich nichts kaputt oder beschädigt war, kehrten wir; wer mag es glauben?, Hand in Hand zurück. Den Großteil des Weges schwiegen wir, als wir zum Auto zurückgingen.
Ich hätte nicht erwartet, das mich dieser Nachtspaziergang so müde machen würde. Ich konnte kaum noch meine Augen offen halten, als wir Richtung Tantchens Haus fuhren. Ich verabschiedete mich mit einer Umarmung und stieg hinaus. Liam wartete solange vor dem Eingang, bis ich hinter der Tür verschwand.
Ich hatte sie offen gelassen und schlich mich nun so leise wie möglich nach oben in mein Zimmer. Kaum spürte ich die Matratze unter mir, fielen mir auch schon die Augen zu.
Am nächsten Morgen schlief ich aus. Erst als ich auf die Uhr schaute, sah ich, das es fast zwölf Uhr war! Was für eine lange Nacht...
Ich roch köstliche Sachen. In meinen Klamotten, die ich anhatte, ging ich schnuppernd nach unten in die Küche und sah Tantchen am Herd.
»Guten Morgen... äh... oder Tag.« rief ich und stellte mich neben ihr. Sie schaute mich mit einen Lächeln an. »Du bist wohl gestern ziemlich spät ins Bett gekommen, mhm? Zuviel Fernsehen geschaut?«
Ich dachte, jetzt hätte sie erfahren, das ich letzte Nacht noch draussen war. Aber die Sache mit dme Fernsehen war auch eine gute Ausrede. Ich nickte und holte mir ein Glas hervor, um mir Orangensaft einzuschütten.
Damit setzte ich mich an den Tisch und schaute ab und zu aus dem Fenster. Ich hatte gar nicht mitbekommen, das der erste Schnee lag.
Nach dem Essen beschloss ich, mal wieder Vivian zu besuchen. Die letzten Tage hatte ich sie gar nicht mehr Gesicht zu bekommen.
Ich zog mich extra warm an. Der neue Mantel sowie Stiefel und Schal dürften da nicht fehlen. Als Erstes ging ich Richtung Restaurant. Es war mitten in der Woche und ich vermutete, das sie heute arbeitete.
Als ich das Gebäude betrat, empfing mich eine angenehme Wärme. Ich schaute mich nach Vivian um, konnte sie aber zunächst nirgends sehen. Ich setzte mich abermals an ein freien Fensterplatz und wartete auf eine Kellnerin, die wenig später mir eine Karte brachte.
»Entschuldigung, ich hätte da eine Frage.« Die Kellnerin schaute mich freundlich an. »Ja?« »Arbeitet zufälligerweise Vivian Ingvarda heute? Ich bin eine Freundin von ihr und wollte zuerst hier vorbeischauen.« fügte ich schnell hinzu. Die junge Frau schüttelte den Kopf.
»Vivian hat heute Spätschicht. Sie fängt erst in drei Stunden an. Möchten Sie trotzdem etwas essen oder trinken?« Ich überlegte kurz und entschied mich für einen Tee.
Nachdem ich das Restaurant hinter mir gelassen hatte, machte ich mich weiter auf den Weg zu Vivian. Erwartungsvoll klingelte ich an ihrer Tür. Öffnen tat mir allerdings jemand anderes.
Ich schaute in das verschlafene Gesicht von Aaron. »Was ist denn mit dir passiert?« Er gähnte und Augenblicke später kam Vivian hervor. »Laurie! Was für eine Überraschung!« rief sie erstaunt.
»Ich war schon auf deiner Arbeitsstelle. Dort hat man mir gesagt, du hättest heute Spätschicht.« Vivian nickte. »Yap. Zum Glück. Gestern war die Nacht wohl etwas lang.« »Man siehts an Aarons Gesicht.« fügte ich hinzu.
»Er hat gestern wieder etwas mehr als gewöhnlich getrunken.« flüsterte sie mir zu. »Und nun trägt er dafür die Konsequenzen. Er hat sich schon mehr als fünf Tabletten reingepiffen...« zwinkerte sie. Ich musste unfreiwillig etwas grinsen.
»Dann sollte ich wohl morgen wieder vorbeischauen.« schlug ich vor. Ich verabschiedete mich und stand etwas verloren auf dem Bürgersteig Sognefjords. Während ich nach Hause ging, schlenderte ich ein wenig durch die Straße zwischen Schaufenster.
Mein Handy klingelte. Auf dem Display erschien der Name von Liam.
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