Montag, 13. August 2012

Kapitel 2

Letzte Nacht hatte ich dann doch wohl ein paar Stunden Schlaf bekommen. Als der Wecker mich aus meinem Schlaf riss, öffnete ich blinzelnd die Augen. Sechs Uhr. Eindeutig zu früh, aber ich zwang mich dazu, aufzustehen. Nach einer kalten Morgenwäsche ging es mir deutlich besser. Am Frühstückstisch erwartete mich bereits Mom, die eine Teekanne und Tassen vor sich hatte. Auf der Küchenablage befand sich ein Tütenbündel. »Dein Lunchpaket.« erwiederte sie, als ich verwundert darauf schaute. »Du hast eine lange Fahrt vor dir.« Ich nickte und goss mir Tee in eine der Tassen. »Willst du noch etwas essen?« Ich schaute auf die Uhr und schüttelte den Kopf. »Nein. Ich glaube, ein Apfel wird reichen. Wir müssen los, wenn wir den Zug noch rechtzeitig schaffen wollen.« Ich stand von meinen Stuhl auf, wobei ich beinahe die Tasse mitumriss. Wir fuhren mit dem Auto zum Bahnhof und ich sprang förmlich heraus, als wir auf den Parkplatz hielten. Ich ertappte mich dabei, wie ich nervös von einer Seite zur anderen schaute, nur um sicher zu gehen, keine weiteren Halluzinationen zu haben. Auch im Bahnhof selbst war keine Spur von Es. Es herrschte auch heute wieder reger Betrieb. Ich kramte in meiner Tasche nach dem Zugticket, um zu schauen, welche Platznummer ich hatte. Eilig schob ich meinen Koffer hinter mir her um zum richtigen Gleis zu kommen. Der Zug stand schon da und würde bald losfahren. Ich drehte mich nach meiner Mom um, um sie kurz zu umarmen. Sie strich mir über meinen Kopf und wünschte mir Viel Spaß bei Tante Berit. Ich nickte und löste mich aus ihrer Umarmung. »Ich werde auch Briefe schreiben, in Ordnung?« fragte ich. Nancy Sullivan nickte. »Ja. Das geht in Ordnung. Vergiss nicht, ein paar Bilder zu machen, ja?« Ich nickte und nahm meinen Koffer, um in den Zug einzusteigen. Mit dem Zettel in der Hand suchte ich nach meinen Platz und stellte zur Überraschung fest, das ich ein eigenes, kleines Abteil hatte. Zwei Sitzbänke, ganz für mich allein! Zumindest hoffte ich das. Ich machte es mir bequem und holte die letzten Stunden Schlaf nach, die ich in der Nacht verpasst hatte. Das Rattern des Zuges trat in den Hintergrund und ich versank in einen Traum.

Oder war es doch kein Traum? Es wirkte alles furchtbar real. Ich war immer noch im Zug. Scheinbar fuhren wir durch einen Tunnel, denn es war düster. Nur das Licht auf dem Gang spendete mir Licht. Langsam stand ich auf und tastete mich vor zur Tür, um sie zur Seite aufzuschieben. Sie ging schwer auf und ich musste meinen ganzen Körper dagegen stemmen, um hindurchschlüpfen zu können. Ging das erst auch so schwer auf? Endlich war ich draussen und schaute mich um. Keine Menschenseele. Mein Herz hämmerte einen Takt schneller. Irgendwo musste doch jemand sein. Zaghaft setzte ich einen Schritt nach dem anderen. Hatte ich tatsächlich die Befürchtung, der Boden würde unter mir nachgeben? Ich hatte die Hälfte des Weges geschafft, als ich immer noch niemanden erblickte. »H-Hallo? Ist hier jemand?« rief ich zaghaft, doch es kam keine Antwort. Mussten wir nicht schon längst aus dem Tunnel sein? Wie lang war der eigentlich? Ich klammerte mich an einen der Haltestangen und überlegte angestrengt, was ich als Nächstes tun könnte. Ich schrak auf, als plötzlich das Licht anfing zu flackern. Dann ging es ganz aus und ich wurde in Dunkelheit umhüllt. Es kam mir vor, als würde mein Herz gleich explodieren. Das Blut rauschte nur so in meinen Ohren und mir wurde leicht schwindlig. Panik ergriff mich und ich versuchte, rückwärts in meine Abtei zurückzugehen. Schritt für Schritt ging ich rückwärts. Meine Augen huschten in der Schwärze nur so umher, obwohl ich eigentlich gar nichts sah. Wie aus dem Nichts packte mich plötzlich eine eiskalte Hand am Arm und ich schrie auf. Meine Augen weiteten sich und ich dachte, ich würde jeden Moment umkippen. Der Griff verstärkte sich und ich begann, mich mit aller Kraft loszureißen. Ich öffnete den Mund und wollte schreien, doch es kam nur ein erstickter Laut auf. Auf keinen Fall wollte ich mich umdrehen und ich kämpfte weiter dagegen an. Mit dem letzten Funken Selbstbeherrschung, um nicht entgültig in Ohnmacht zu fallen, riss ich mich los und stolperte nach vorne gegen etwas Hartes.

Schweißgebadet öffnete ich die Augen und keuchte ein und aus. Ich realisierte, das ich auf den Boden lag und mit voller Wucht aufgekommen war. Immer noch von Panik erfasst, schaute ich mich um, und stellte erleichtert fest, das wir durch keinen Tunnel fuhren. Mit zittrigen Gliedmaßen richtete ich mich langsam auf und zog mich auf meinen Platz. Ich suchte in meiner Tasche nach einer Wasserflasche und öffnete den Verschluss immer noch mit zittrigen Händen. Ich trank aus ihr drei große Schlücke und merkte, wie sich mein Puls langsam wieder stabilisierte. Was zum Teufel war das für ein irrer Traum gewesen? Ich konnte mich nicht daran erinnern, die letzten Tage einen Horrorfilm oder dergleichen angeschaut zu haben. Ich schaute auf meine Uhr und sah, das ich fast vier Stunden geschlafen hatte! Es würde nicht mehr lange dauern, bis ich da war. Bis dahin las ich mein Buch weiter; Das Tal der Angst von Sir Arthur Conan Doyle. Sherlock Holmes war meine absolute Lieblingsfigur. Ich rätselte gerne mit, wer der Täter war und lag am Ende nicht immer falsch. Doch wie in der Nacht zuvor hinderte mich der verrückte Traum daran, mich auf den Inhalt der Sätze zu konzentrieren. Ich las sie, ohne den Sinn dahinter zu verstehen. Frustriert legte ich das Buch beiseite und beschloss, den Zug zu erkundigen.

Ich freute mich, im Gegensatz zu meinen Alptraum, Menschen zu sehen. Mein Weg führte mich zum Speisewagen, wo ich, ohne etwas zu bestellen, die Karte studierte. Mit aller Macht konzentrierte ich mich auf die einzelnen Speisen und ließ den Alptrum in den Hintergrund rücken. Ich schaffte es tatsächlich, ein Stück, ehe eine Frau vom Personal zu mir herüberkam und fragte, ob ich in Ordnung sei. Sei meinte, ich hätte am ganzen Leib gezittert. Verwundert schaute ich sie an und schüttelte den Kopf. »Mir geht es gut. Danke.« Was natürlich eine Lüge war. Mir ging es ganz und gar nicht gut. Ehrlich gesagt, hatte ich panische Angst, überhaubt noch mal einzuschlafen. Ich stand auf und verabschiedete mich mit einen Murmeln und ging zurück. Ob Musik mich ablenken würde? Ein Versuch war es wert. Ich drehte die Lautstärke auf die höchste Stufe und schloss die Augen. Es musste einfach klappen. Sonst würde ich komplett durchdrehen. Dieses Mittel half wesentlich länger und trug dazu bei, mich auf den Songtext zu konzentrieren. Bedacht, nicht nocheinmal einzuschlafen, stützte ich mein Gesicht auf meiner Hand ab und schaute aus dem Fenster. In einer Stunde würde ich da sein.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen