Dienstag, 14. August 2012

Kapitel 9

Mir blieb vor Überraschung der Mund offen. »E-Er hat sich umgebracht!?« Liam nickte. »Das ließ Viele bestätigen, das er der Mörder war. Um einer Strafe zu entkommen, brachte er sich selbst um. Der Fall verschwand irgendwo in den Akten und wurde nicht mehr weiter beachtet.« »Aber das kann doch nicht möglich sein! Ist denn die Polizei so unfähig? Warum haben sie die Ermittlungen eingestellt?« rief ich empört. »Glaubst du denn, das er der Mörder ist?« fragte mich Liam und ich verstummte. »Nein. Warum sollte er Cathrin umbringen, wenn er sie doch von ganzem Herzen geliebt hat? Gab es denn keine anderen Verdächtigen?« Liam zuckte mit den Schultern. »Natürlich. Jeder von uns wurde verdächtigt, doch es kam nie zu einer Verhaftug.« »Auch du?« fragte ich überrascht. Er nickte. Und damit war die Unterhaltung abgeschlossen. Die Zeit verging schnell. Wie fuhren von der Bundesstraße auf einen Waldweg. Ein Schild, halb verrostet, wies den Weg zur Heilanstalt. Der Weg war holprig, doch ehe ich mich versah, standen wir vor einen riesigen Gebäude. Es erinnerte mich an ein Kloster im gotischen Stil. Dahinter sah ich noch weitere, wesentlich kleinere Gebäude, ebenfalls im gleichen Stil errichtet. Was für eine riesige Anlage! Ehrfurchtig betrat ich die Eingangshalle. Ich erwartete jeden Moment, das jemand aus dem Hinterhalt uns angreifen könnte. Doch es war still. Nur das Klappern unserer Schuhe waren auf den Flur zu vernehmen. Wir blieben an einer reich verzierten Tür stehen. Auf dem Schild konnte ich das Zimmer als Büro erahnen. Liam klopfte an die Tür und wir traten ein. Eine Frau mittleren Alters schaute über ihren Schreibtisch zu uns herüber und lächelte uns freundlich an. »Mister Delling. Es freut mich, Sie wieder zu sehen. Der letzte Besuch liegt schon eine ganze Weile zurück.« Liam nickte. Die Frau richtete meinen Blick auf mich. »Wie ich sehe, haben Sie jemanden mitgebracht?« »Ja. Eine Bekannte von mir. Wäre es möglich, das wir Valerie besuchen könnten?« Die Frau tippte etwas in den Computer ein und schaute uns wieder an. »Die Besucherzeit ist noch nicht vorüber. An ihren Aufenhaltsort hat sich nichts geändert, wenn Sie noch wissen, wie ihre Zimmernummer lautet.« Liam nickte. Ehe wir den Raum verließen, füllte ich noch einen Zettel aus und wir machten uns auf den Weg. Wir hatten es nicht eilig, umso mehr hatte ich die Gelegenheit, alles auf mich einwirken zu lassen. Es war sonderbar, als vermeindlich gesunder Mensch durch die Flure zu gehen, während Patienten in verschlossenen Räumen ihrer Therapie nachgingen. Ein wenig kam ich mir vor wie ein Eindringling. »Du musst nicht nervös sein.« beruhigte mich Liam, als er mein Unbehaben an diesem Ort vernahm. Wir blieben an einer Holztür stehen, die schlicht gehalten war und ein kleines vergittertes Fenster besaß. Liam klopfte und trat hinein. Ich hatte vieles erwartet, als ich das Zimmer betrat, doch das sicherlich nicht! Auch wenn es spartanisch eingerichtet war, war es doch ein Zimmer für sie allein. Hilflos blieb ich an der Tür stehen, während Liam zu Valerie herüberging, die auf ihren Bett saß und aus dem Fenster schaute. Er zog einen Stuhl zu sie heran, um auf einer Augenhöhe zu sein. »Mein letzter Besuch ist schon etwas her, aber ich habe dir heute jemanden mitgebracht, den ich dir vorstellen möchte.«

Valerie drehte sich zu Liam um und sah ihn minutenlang an. Dieser umfasste leicht ihren Kopf und drehte ihn in meine Richtung. Im ersten Moment erschrak ich beinahe zu Tode. Ihre stechend blutroten Augen durchbohrten mich wie ein Schwert. Für einen kurzen Augenblick tauchten diese blutroten Tränen auf, die ich in der Höhle gesehen habe. Beinahe wollte ich aus dem Zimmer rennen, weil ich die Befürchtung hatte, Valeries Gesicht würde sich in die gleiche Fratze verwandeln. Ich brachte kein Ton heraus und starrte ängstlich in ihre Augen. »Das ist Laurie Sullivan.« brach Liam das Schweigen, doch sie zeigte keine Reaktion. Ob sie unter den Einfluss von Medikamenten stand? Ich löste mich aus meiner Halbstarre und ging zu Liam herüber. Erleichtert musste ich feststellen, das ihr Blick mich nicht verfolgte. Wohlmöglich hatte sie einen Punkt in der Nähe der Tür fixiert. »Wie geht es dir?« Liam ergriff Valeries Hand und wartete auf eine Antwort. Hatte es überhaubt Sinn, eine Unterhaltung mit ihr zu führen? Bis Valerie antwortete, kam es mir vor, als wären Stunden vergangen. Endlich drehte sie sich wieder zu Liam um. »Wie es einem hier ebenso geht.« Ihre Stimme klang fest und keineswegs kleinlich. »Was hast du seid meinem letzten Besuch alles gemacht?« fragte er weiter. »Warum fragst du mich das jedes Mal? Glaubst du allen Ernstes, ich komme hier raus?« Er ließ sich von ihrer Art nicht beirren und ließ ihre Hand nicht los. »Du wirst es schaffen.« Valerie zog ihre Hand zurück und stand auf. Die ganze Szene hatte ich bisher schweigsam beobachtet. Meine Anwesenheit kam mir unnötig vor, doch nun ging Valerie direkt auf mich zu und blieb nur wenige Zentimeter vor mir stehen. Mein Puls beschleunigt sich. Ich bemerkte, wie ihre Lippen anfingen, zu beben. »Und was willst du hier!?« ging sie mich plötzlich fuchsteufelswild an. Ihre Augen sprühten Funken und erschrocken wich ich einen Schritt zurück. Sie wollte mich an den Handgelenken packen, griff aber ins Leere. »Verschwinde von hier! Du hast schon genug angerichtet!« Ihre Stimme wurde immer lauter und ich machte mich bereit das sie mich jeden Moment schlagen würde. Voller Zorn griff sie in ihre Manteltasche und warf mir etwas auf den Boden. Ich musste gar nich hinsehen, um zu wissen, um was es sich dabei handelte. In dem Moment kam Liam zwischen uns und sprach beruhigend auf Valerie ein. Ihr ganzer Körper zitterte, doch sie ließ sich zu ihren Bett führen. Ohne ein weiteres Wort ergriff ich die Flucht und stürmte nach draussen.

Ich rannte die Gänge entlang, die Treppen herunter und suchte verweifelt nach einen Ausgang. Endlich erblickte ich ihn und stürzte hinaus. Mir war furchtbar warm und ich war dankbar für die kühle Brise, die mich empfing. Ich befand mich wieder vor dem Hauptgebäude und entdeckte in der Nähe einer großen Linde eine Bank. Ich ließ mich darauf nieder und zog meine Knie an mich, um meinen Kopf fallen zu lassen. Es war eine dumme Idee, hierher zu kommen. Wie konnte ich nur daran glauben, Valerie würde mir helfen? Sie war krank und gar nicht zurechnunsfähig. Eine Träne lief mir über das Gesicht. Ich wollte weg von hier, weg von Sognefjord und einfach nach Hause. Irgendwann merkte ich, das sich jemand neben mich gesetzt hatte. Es war Liam, der neben mir saß. »Wir fahren zurück.« wies er mich an. Nur langsam kam ich auf meine Beine und folgte ihn zu seinem Auto. Während wir uns auf den Rückweg machten, verfielen wir in Schweigen, ehe Liam versuchte, mir zu erklären, was passiert sei. »Ich weiß nicht so recht, was mit ihr los ist. Normalerweise ist sie nicht so.« Ein ersticktes Lachen drang aus meiner Kehle. »Normalerweise? Was hat das bei ihr schon für eine Bedeutung!?«

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