Mittwoch, 22. August 2012

Kapitel 36

Am Abend ging ich früh zu Bett, um ausgeruht zu sein. Denn am nächsten Morgen ging es wieder zu Arbeit. In mir herrschte immer noch das reinste Chaos. Und ich wusste nicht so recht, wie ich das je wieder in Ordnung bringen könnte. In meinen Büro erwartete mich der übliche Papierkram. Zeitweise hatte ich das Gefühl, während ich am Computer arbeitete, das ich gar nichts vorwärts kam. Die Zeit verstrich noch langsamer, während ich ständig auf die Uhr schaute. Als ich am Nachmittag auf die Straße hinaustrat, war ich noch nie so froh, frische Luft zu schnappen. Kurzerhand beschloss ich, einfach heimzulaufen. Das würde zwar etwas länger dauern, aber das war mir in den Moment egal. Hauptsache, ich hatte Bewegung. Als ich die Wohnung aufschloss und in die Küche trat, überraschte mich ein Päkchen, das auf den Tisch lag. Vor Erstaunen riss ich die Augen auf. Wie um Himmels Willen kam das hier rein?! Mein Herz begann zu rasen und ich schaute mich hektisch in der Küche um. Natürlich war niemand zu sehen, aber die Tatsache, das ein Päkchen aufgetaucht war, was ich defintiv nicht am frühen Morgen angenommen habe (es sei denn, ich schlafwandle...!?), ließen mich in Panik fallen. Es schossen allmögliche Szenarien durch mein Kopf, was hätte drinn sein können. Vom abgehackten Kopf bis hin zu einer Bombe. Mit größtmöglichen Abstand ging ich wieder aus dem Raum, was lächerlich ausshah. Hatte ich wohlmöglich Angst, das Teil würde mich gleich anspringen? Ich wusste nicht so recht, was ich als Nächstes tun sollte und stürmte ins Wohnzimmer. Sollte ich die Polizei rufen? Oder jemand anderes? Doch was sollte ich ihnen erzählen? Und würde mir überhaubt jemand glauben? Ich entschied mich doch für die Polizei und wollte gerade mit zittrigen Fingern die Nummer eingeben, als das Telefon selbst klingelte. Vor Schreck zuckte ich heftig zusammen. Auf dem Display stand Unbekannt. Ich schluckte. Ich wartete ein paar Sekunden ab, doch der Anrufer schien hartnäckig zu sein. Selbst auf dem Anrufbeantworter sprach diejenige Person nicht drauf. Ich bekam eine Gänsehaut und schlang meine Arme um den Körper. Minuten vergingen, als der Anrufer es noch einmal probierte. Ich fragte mich, wie lange das Spiel noch gehen sollte. Schließlich fasste ich all meinen Mut zusammen und nahm mit zittriger Stimme den Anruf entgegen:

»Na endlich gehst du mal ans Telefon ran!« ertönte eine empörte Stimme. Ich musste einige Sekunden überlegen, wem ich diese zuordnen konnte und fragte vorsichtig: »Nathan? Sind Sie das...?« Am anderen Ende drang ein leichter Seufzer an mein Ohr. »Sicher. Bitte keine Förmlichkeiten. Ich habe dir übrigens dein neues Handy zuschicken lassen. Hast du es erhalten?« »H-Handy?« rief ich verdutzt und schaute auf das Päkchen auf dem Küchentisch, während ich in der Wohnung umherlief. »Das ist also da drinn!« rief ich überrascht und lief sofort in die Küche. »Ja was denn sonst?« fragte Nathan leicht verdutzt. »Ich hatte schon mit einer Bombe oder sowas gerechnet.« gestand ich ihn, worauf er anfing zu lachen. »Du hast eine blühende Fantasie. Ich hoffe, es ist ein guter Ersatz. Tut mir Leid, das es bei den kleinen Zwischenfall zu Bruch gegangen ist.« Ich winkte ab, obwohl er es gar nicht sehen würde. »Ach, kein Problem.« rief ich und öffnete mit einer Hand das Päkchen. Zumindest versuchte ich es, und es gelang mir auch. Es enthielt eine rechteckige Schachtel, die ich vorsichtig öffnete. Ungläubig starrte ich auf das Handy, ehe ich ein Freudenschrei ausstieß. »Oh mein Gott...« rief ich ehrfürchtig. »Gefällt es dir etwa nicht?« fragte Nathan in gespielter Entäuschtheit. »Doch, doch.« versicherte ich schnell. »I-Ich will nur nicht wissen, wieviel es gekostet hat...« »Also wenn du es unbedingt wissen willst...« begann er doch ich redete schnell dazwischen. »Lieber nicht. Äh... dann danke dafür.« Ich bekam wieder Gewissensbisse und war mir nicht sicher, ob ich das Geschenk annehmen sollte. Es handelte sich eines der teuersten Handys überhaubt auf den Markt! Liam hatte mir bisher noch nie so ein teures Geschenk gemacht. Wobei ich unsere Beziehung ganz bestimmt nicht an materiellen Werten festlegen wollte. Ich schob mein schlechtes Gewissen beiseite, denn eine Weile herrschte Stille beim Telefonat. »Bist du noch drann?« fragte mich Nathan. Ich nickte. »Ja. Sry. Ich habe mir nur grad das Handy genauer angeschaut.« Was eine kleine Notlüge war. »Es sieht einfach fantastisch aus.« »Dann bin ich ja beruhigt.« erwiederte er hörbar glücklich. »Aber sag mal, wie hast du eigentlich meine Festnetznummer rausbekommen?« »Och...« antwortete er gelassen. »Dank deines alten Handys. Daten kann man wiederherstellen, weißt du?« »Ah. Ok.« erwiederte ich knapp. Mich überkam plötzlich ein komisches Gefühl. Keine Frage, Nathan war sehr nett, sogar sehr sehr nett, aber das er in meinen Privatsachen herumschnüffelte, sei es nun ein kaputtes Handy, gab mir schon zu denken. Ich ließ mir nichts anmerken und wechselte das Thema: »Da gibt es übrigens einen kleinen Gefallen, um den ich dich bitten würde.« »Ja?« Nathan klang neugierig. Ich räusperte mich kurz. »Es geht um den aktuellen Fall. Ich bräuchte da ... äh... deine Hilfe.« »Um was geht es?« Jetzt klang er plötzlich angespannt. Nervös spielte ich mit der Verpackung rum. »Das ist jetzt schwer, soetwas am Telefon zu erklären. Jedenfalls geht es um den aktuellen Fall, an dem ich drann bin. Ich habe in einen Chat jemanden kennengelernt, der vielleicht den Feund des Opfers kennen könnte. Aber ich möchte mich nicht allein mit ihm treffen. Du weßt ja, was für Freaks sich rumtreiben könnten...« Es herrschte wieder Stille, und für einen Moment glaubte ich, Nathan hätte aufgelegt. »In Ordnung.« rief er plötzlich. »Wann will er sich mit dir treffen?« »Den Termin gebe ich dann bekannt. Wann ist es dir denn recht?« »Ich richte mich nach dir. Meine Nummer hast du nun ja. Melde dich einfach, wann es soweit ist. Ich muss jetzt los. Tschüss.« Die Verabschiedung kam urplötzlich und der Freizeichenton war der einzige Beweis, das ich gerade eben noch ein Telefonat geführt hatte. Ich seufzte abermals. In mir tobten wieder die Gefühle. War es richtig, Nathan mit in den Fall einzubeziehen? Und was würde Liam nur denken, wenn er hier wäre?

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