Mittwoch, 22. August 2012

Kapitel 33

Erst am nächsten Morgen bemerkte ich, das ich auf den Sofa eingeschlafen war. Verwirrt schaute ich auf die Uhr im Wohnzimmer und sprang sofort auf: Ich hatte verschlafen! In größter Eile machte ich mich fertig, um nicht zu spät auf Arbeit zu erscheinen. Ich warf einen Blick auf die Uhr und sah, das in wenigen Minuten die Straßenbahn kommen würde. Ich knallte die Haustür hinter mir zu und rannte die Treppen förmlich runter. Ein Wunder, das ich mir dabei die Knochen nicht gebrochen hatte! Ich riss die Eingangstür auf und sah auf der anderen Straßenseite gerade meine letzte Fahrgelegenheit losfahren. Seufzend ließ ich meine Schultern hängen und schaute mich kurz nach allen Seiten um. Ein Auto kam nicht in Frage und eine Bushaltestelle gab es in der Nähe nicht (da hätte ich sowieso nochmal ne Weile warten können). Ich malte mir schon aus, was für Schimpftriaden ich vom Abteilungsleiter zu hören bekäme, als mich die Hupe eines Autos aufschreckte.

Auch wenn ich mich nicht so sehr mit Autos auskannte, vermutete ich jedoch, dass das Auto, in schwarz, eine Menge Geld gekostet haben muss! Eine Scheibe wurde heruntergefahren und ich sah ein bekanntes Gesicht, was mir zugleich heiße und kalte Schauer über den Rücken jagte. Vor mir war kein geringer, als der junge Mann, der wie der Täter vom Vergnügungspark aussah, und dem ich im Fahrstuhl begegnet war. Perplex schaute ich ihn an und wusste nicht so recht, was ich erwiedern wollte. »Haben Sie ihre Straßenbahn verpasst?« fragte er mich und ich nickte. Ein Lächeln zeigte sich auf sein Lippen. »Ich muss in Ihre Richtung. Wenn Sie wollen, kann ich Sie mitnehmen.« Einladend klopfte er auf den Platz neben sich. Ich überlegte und spielte mit den Gedanken, was schlimmer wäre: Die Beschimpfungen des Chefs und eine mögliche Kündigung, oder neben einen wohlmöglich ähnlich sehenden Täter zu sitzen? Beides war mir nicht ganz geheuer, aber ich musste unbedingt zur Arbeit. Egal wie. »Sehr gerne.« antwortete ich und lächelte leicht. Hoffentlich ging dabei nichts schief. Die Innenausstattung war luxeriös, so das ich mich kaum traute, einen Millimeter zu bewegen. Demnach merkte ich schnell, das ich total verkrampft dasaß. »Entspannen Sie sich mal. Ich werde schon nicht über Sie herfallen, falls Sie daran glauben.« »W-Was?« Ich fühlte mich ertappt und lief etwas rot an. »N-Nein. Ich bin einfach noch nie in so einen Auto gefahren.« Was der Halbwahrheit entsprach. Natürlich hatte ich Gedanken, das der Fremde über mich herfallen würde! Aber war er denn jetzt so fremd? Die restliche Fahrt verlief gesprächslos. Ich bedankte mich, als ich aussteig und lief hastig dem Eingang des Gebäudes entgegen. Hätte ich mich umgedreht, wäre mir das Grinsen von ihm sicherlich nicht entgangen.

»Dürfte ich erfahren, wo Sie so lange waren?« Mit verschränkten Armen wartete tatsächlich der Abteilungsleiter vor meinen Büro. Aprupt blieb ich stehen. »Ich habe die Straßenbahn verpasst. Bitte entschuldigen Sie das Fehlverhalten. Wird auch ncht wieder vorkommen.« Innerlich machte ich mir die Notitz, einen Wecker anzuschaffen... »Das war die letzte Verwarnung.« raunte er mich an und hielt mir sogleich einen Stapel Mappen hin. »Bis heute Nachmittag will ich Ergebnisse sehen.« Widerwillig nahm ich sie entgegen und verzog mich schnellstens in mein Büro zurück. Sonnenstrahlen fielen hinein und ließen Staubpartikel tanzen. Krampfhaft versuchte ich mich auf die Unterlagen zu konzentrieren, denn meine Gedanken rasten. Waren sie in einem Moment bei Liam, im anderen wieder bei diesen Typen. Ich arbeitete den ganzen Nachmittag durch. Erst am späten Nachmittag gönnte ich mir endlich eine kleine Pause und wandte mich wieder den aktuellen Fall zu. Ich bemerkte, das ich gar nicht meinen Umschlag dabei hatte. Er lag noch auf den Couchtisch. Heute schien auch irgendwie gar nichts zu klappen. Mir kam die Idee, einfach im Archiv die Unterlagen zu holen. Still und heimlich schlich ich mich davon. Wie nicht anders zu erwarten, befand sich das Archiv im Kellergeschoss. Also noch eine Runde Fahrstuhl fahren. Nach dem Wecker-Wunsch sollte ich mir einen IPod zulegen... Sooft war ich gar nicht im Kellergeschoss, um ehrlich zu sein, war ich da bisher nur zweimal. Und ich hoffte inständig, das man für die Türen da unten keine Schlüssel bräuchte. Soweit ich das in Erinnerung hatte, waren die Unterlagen frei zugänglich. Zum Glück wurde die Archivierung per Elektronik nur schrittweise vorangetrieben. Vorsichtig öffnete ich die schwere Tür und trat in den riesigen Raum hinein. Vor mir erstreckten sich meterlange Regale, die fast so hoch wie die Decke waren. Meine Schritten halten von den Wänden wieder. Das Gefühl, beobachtet zu werden, kroch wieder in mir hinauf. Langsam ging ich den schmalen Gang entlang und versuchte mich zu orientieren. Dies war leichter gesagt als getan. Und um ehrlich zu sein, wusste ich gar nicht so recht, wo ich überhaubt zu suchen hatte. Ich schaute mich nach allen Seiten um und ging weiter, bis ich einfach an einen Regal stehen blieb und die Ordner studierte. Ich war so in Gedanken versunken, das ich gar nicht merkte, das jemand neben mir stand und mich auf meiner Schulter antippte. Vor Schreck wäre ich beinahe an die Decke gesprungen. Ich drehte mich blitzartig um und konnte meinen Augen kaum trauen: Der Typ, den ich mehr als einmal gesehen hatte. »Was machen Sie denn hier!?« Doch er lächelte mich nur höflich an. »Das Gleiche könnte ich Sie fragen, oder?« Ich schaute nervös zur Seite. »Ich suche nur was.« Ich fragte mich, warum ich nur so leicht aus der Fassung zu bringen war. »Hey! Sind Sie eigentlich ein Mitarbeiter oder so?« fuhr ich ihn an. Doch er blieb ganz gelassen. »Kann man so sagen.« Doch so wirklich stellte mich das nicht zufrieden. »Na, dann können Sie mir doch ganz bestimmt behiflich sein. Ich bin nämlich auf der Suche nach einer bestimmten Akte.« Ohne zu zögern, half mir der Fremde tatsächlich. Und am Ende hatte ich tatsächlich meine gewünschte Akte. Als ich wieder in mein Büro ging, kreisten meine Gedanken erneut um den jungen Mann. So langsam bekam ich ein schlechtes Gewissen gegenüber Liam.

Um auf den neusten Stand zu sein, loggte ich mich in meinen PC ein und schaute nach dem Stand der Dinge des aktuellen Falls. Mir kam der Gedanke, den Chef nachzufragen, ob ich daran beteiligt war. Bevor ich irgendwelche unüberlegten Schritte machte, sollte ich mich vergewisstert haben. Ich fuhr den PC also wieder herunter und machte mich zum Büro des Abteilungsleiters. Etwas mulmig war mir dabei schon. Unter meinen Arm hatte ich die Mappen vom Morgen untergeklemmt. Das Büro befand sich auf der gleichen Etage, allerdings etwas abseits von den ganzen großen Räumen. Nachdem ich geklopft hatte, trat ich vorsichtig ein. Ich war nicht sooft hier, und hoffte, das auch nicht in Zukunft sein zu müssen. »Wie sieht es mit den Unterlagen aus?« kam es von ihm, ohne ein Wort der freundlichen Begrüßung. Ich schluckte. »Hier.« Ich legte die Mappen auf seinen Schreibtisch ab. Als ich nicht gehen wollte, sah er mich verwundert an. »Gibt es noch etwas?« Ich nickte. »J-Ja. Ich wollte mich erkundigen, ob ich dem aktuellen Fall zugeteilt bin.« Der Abteilungsleiter sah mich verwirrt an. »Wir bekommen jeden Tag neue Fälle rein. Sie müssen schon etwas konkreter werden, Miss Sullivan.« »Äh... Akte 367-C.« Er schaute in seinen PC nach und seine Miene verfinsterte sich. »Ich frage mich, warum Sie danach fragen. Unter anderem ist hier Miss Martinez aufgeführt. War sie denn nicht dabei?« Oh, shit... Das war kein guter Anfang. Fieberhaft suchte ich nach einer Erklärung. »Naja.... Sie war schon im Fall miteingespannt. Aber ein Kollege fiel an diesem Tag aus. Und nun würde ich gerne für ihn einspringen. Wenn das in Ordnung wäre?« Der Mann mittleren Alters schaute mich auf eine Art und Weise an, die ziemlich nah an die Vorstellung rankam, was mir einfallen würde, als Amateurin, in den Fall einzumischen. Es hatte defintiv seine Schattenseiten.... Schließlich seufzte er. »Nun gut. Offiziell übernehmen Sie den Fall. Ich rate Ihnen aber dringenst, den Anweisungen der Kollegen zu folgen.« Er musste gar nicht weiterreden, denn ich wusste, was mir blühen würde, sollte ich dem nicht Folge leisten. Ich war zunächst erstmal froh, überhaubt an den Fall mitarbeiten zu dürfen. Durchaus zufrieden, verließ ich sein Büro. Jetzt konnte meine wahre Arbeit beginnen.

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