»Du bist angekommen.« rief eine weibliche Stimme und ich drehte mich um. Erst jetzt realisierte ich, das ich wohl weder im Himmel, in der Hölle oder in einen Krankenhaus war. Nein... irgendwie war ich in der Unendlichkeit gelandet.
Oder es war einfach nur ein Traum. Ja, und dieser Verdacht bestätigte sich, als ich wenige Meter vor mir Cathrin sah. Wie lange war es wohl her, das sie durch einen Traum mit mir kommuniziert hatte? »Würdest du mir verraten, wo ich hier bin? Und was ich hier mache?« hakte ich vorsichtshalber nach.
Cathrin, die ein sommerliches Kleidchen in Lavendelfarben trug, lächelte mich freundlich an. »Wenn du magst, kann ich die Umgebung freundlicher gestalten. In meiner Position habe ich es oft nicht so gemütlich.« Sie schnippte mit dem Finger und wir befanden uns auf dem Land, umgeben von Wiesen, blühenden Bäumen, sowie
Bergen & Täler. Der perfekte Sommertag oder? Ich schaute mich unsicher um. Was war mit der Gestalt in der Höhle? Cathrin bemerkte mein Unbehagen und kam auf mich zu. »Gefällt es dir nicht? Du musst keine Angst vor mir haben.« versicherte sie mir. »Und was war das dann in der Höhle?« rief ich kleinlaut und senkte den Blick.
Cathrin hielt inne. »Die Höhle ist kein schöner Ort... Ich war verzweifelt und allein.« Ich nickte und gab mich mehr oder weniger mit der Antwort zufrieden. Ich konnte schlecht auf Cathrin böse sein. »Ist das hier ein Traum? Oder nur eine Illusion?« fragte ich weiter und ließ mich zögerlich ins Gras nieder. Es fühlte sich erstaunlich echt an.
»Du liegst im Koma.« erwiederte Cathrin und setzte sich zu mir. »Ich würde es sowohl als Illusion, als auch als Traum bezeichnen.« Es dämmerte mir langsam, das ich vor wenigen Stunden?, noch mit Liam in der Dunkelheit heimgefahren bin. Und jetzt war ich hier. »Ich war bei deiner Schwester Valerie.« fing ich plötzlich an. Cathrin schaute mich mit forschender Miene an.
»Aber nicht zum ersten Mal.« fügte ich schnell hinzu. »Wie geht es ihr?« fragte sie mich. Verwundert schaute ich sie an. »Warst du denn noch nie bei ihr? Äh... beziehungsweise, hast du sie noch nie besucht, so wie du es bei mir tust?« Cathrin schüttelte den Kopf. »Das ist schwer zu erklären. Aber lass es mich so sagen; dadurch, das sie Medikamente nimmt, schneidet sie sich von
ihren Unterbewusstsein ab, bzw. ich kann sie nicht erreichen.« Ich schaute kurz in die Ferne und überlegte, was ich antworten sollte. Im Prinzip wusste sie ja, wie es Valerie ging. »Ihr geht es soweit gut. Hoffe ich zumindest. Ich habe nur das Gefühl, das sie mich nicht leiden kann.« Cathrin schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht.« So recht konnte ich das nicht glauben, jedoch fragte ich weiter nach.
»Habt ihr euch beide zu ... Lebzeiten gut verstanden?« Cathrin lächelte. »Hast du Geschwister?« Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob du solch eine Bindung nachvollziehen kannst. Wir waren wie gute Freunde. Haben uns beinahe blind verstanden. Aber es gab auch Streit.« Ich nickte. »Eine Frage hätte ich...« Ich zog meine Knie an mich heran und legte meinen Kopf darauf. »Der Mord an dich. Wer hat dich umgebracht?«
Mit ausdrucksloser Miene stand Cathrin plötzlich auf und ich merkte, das die Umgebung langsam blasser wurde. Was passierte denn jetzt? Hatte ich etwas Verbotenes getan? Aber es war doch nur eine Frage... Scheinbar die Falsche, denn die Landschaft begann sich tatsählich Stück für Stück aufzulösen. Sie zerbröselte und wurde weggeweht. Viel zu langsam kam ich auf die Beine, denn ich wollte Cathrin am Arm fassen.
Doch sie entfernte sich immer mehr. Ein trauriger Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht. »W-Warte!« schrie ich und streckte meine Hand aus. Gewaltsam riss ich meine Augen auf und sah eine Menge Schläuche an mir.
»Sie kommt zu sich!« hörte ich eine weit entfernte Stimme. Mit trüben Blick konnte ich nur schwer erkennen, bei wem es sich dabei handelte. Ich wollte etwas sagen, doch der Schlauch machte es mir unmöglich, zu kommunizieren.
Eine Würgereiz lag in meiner Kehle und ich schmeckte das Platik, sowie nahm vage den typisch, steril medizizinschen Geruch wahr. Endlich klärte sich mein Blick und ich konnte erkennen, das neben diversen Weißkitteln auch bekannte Gesichter darunter waren.
Tantchen, die rötliche Augen vom Weinen hatte, sowie Vivian, die mehr als besorgt auf mich herabschaute. Selbst Aaron sah ich auf einen Stuhl im hinteren Teil des Zimmers. Gespräche konnte ich nicht richtig verstehen, denn alles klang gedämpft wie durch Watte.
Einer der Ärzte fummelte an einen der Infusionbeutel herum und ehe ich mich versah, wurden meine Augen wieder schwerer und ich schlief ein.
Während ich schlief, verlor ich jegliches Zeitgefühl. Ob ich nur Stunden oder gar Tage geschlafen habe, konnte ich beim besten Willen nicht sagen. Ich erwachte erneut, diesmal ein Raum, der viel freundlicher wirkte als der andere zuvor.
Zu meiner Überraschung war der Schlauch aus meinen Rachen entfernt wurden, allerdings hatte ich an dieser Stelle einen Nasenschlauch. Ich schaute mich um und blickte in das überaus glückliche Gesicht von Tantchen. Als ich sie zaghaft anlächelte, begann sie zu weinen.
»Du musst nicht weinen.« flüsterte ich. Sie nickte schnell und wischte sich mit einen Taschentuch die Tränen weg. »Ich bin so froh, das du bei den Unfall nicht umgekommen bist. Erst der Vorfall im Kino und dann das.« Mit Mühe hielt sie sich neue Tränen weg. Ich versuchte, mich
aufzusetzen, wurde aber von einen stechenden Schmerz ermahnt, dies zu unterlassen. Bildfetzen der Unfallnacht tauchten vor meinen geistigen Auge auf. Sofort musste ich an Liam denken, was wohlmöglich ihn passiert war. Wo war er!? »W-Wo ist Liam?« fragte ich ängstlich und schaute mich im Raum um,
was wenig Sinn hatte. Wir beide waren allein. Meine Angst wuchs, als Tantchen nichts sagte. »I-Ist er etwa tot?« Jetzt war ich den Tränen nahe. Tantchen ergriff meine Hand und ich begann zu zittern. »S-Sag mir, dass das nicht wahr ist.« Mit tränennassen Gesicht schaute ich sie verzweifelt an.
»Er liegt noch auf der Intensivstation.« brachte sie endlich hervor. »Die Ärzte versuchen alles, um ihn am Leben zu erhalten, doch es sieht schlecht aus.« Meine Augen weiteten sich. Ich wollte sofort aus dem Bett springen, doch die Schmerzen hinderten mich an mein Vorhaben. Ich schaffte es lediglich, meinen Arm auszustrecken.
»Ich will zu ihm.« krächzte ich. Doch Tantchen hielt mich zurück. Und ein Arzt, der zufälligerweise und unbemerkt hereinkam. »Lassen Sie mich zu ihm!« rief ich. Doch der Mann mittleren Alters, mit einer Brille und einen Anflug an ergrauten Haar, schüttelte den Kopf. »Sie müssen sich noch ausruhen. Es wäre ein zu großes Risiko, Sie jetzt schon zu entlassen.« erklärte er.
Mir lag eine bissige Antwort auf den Lippen, stattdessen schluckte ich ihn herunter und betrachtete stur meine Bettdecke.
In der Nacht fasste ich den Plan, Liam einfach einen Besuch abzustatten. Und mir war jedes Mittel recht. Dabei war es mir in dem Moment egal, als mir die Idee kam, ob ich erwischt werden würde oder nicht. Das Einzige, was ich wissen wollte war, wie es ihm ging. Ich setzte mich langsam auf und sah mich um. Das Mondlicht ließ mein Zimmer hell erscheinen, so das ich kein Licht anmachen musste.
Glücklicherweise stellte sich heraus, das mein Nasenschlauch, der immer noch nicht entfernt wurde, sowie der Infusionsbeutel auf ein Fahrgestell miteinander verbunden waren. Ich musste dieses lästige Teil also nur möglichst leise neben mir herschieben.
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