Und die erste Station befand sich in der Rechtsmedizin. Ich war voller Tatendrang und schwebte förmlich die Gänge herunter. Wie ich bald entdeckte, bestand der riesige Gebäudekomplex nicht nur aus Büros.
Bisher kam ich nur nie dazu, alles genauer anzusehen. Es war höchste Zeit! Diese Abteilung befand sich in den unteren Etagen, fast in den Kellergeschössen. Die Gänge sahen weniger einladend aus und wurden ausschließlich von Deckenleuchten erhellt.
Wie nicht anders zu erwarten, waren ein Großteil der Innenräume gefliest und sahen noch weniger gemütlich aus. So ganz wusste ich nicht, wo ich hinsollte. Desshalb nahm ich die nächstbeste Scheibe, durch der ich Licht sah. Ein gutes Zeichen, das jemand da arbeitete.
Langsam stieß ich die Tür auf. Und tatsächlich arbeitete jemand gerade, allerdings mit den Rücken zugewandt zu mir. Ich räusperte mich kurz. »Ähm... Entschuldigen Sie?« Der Mann schaute sichtlich verwundert auf und ließ seine Instrumente auf einen Beistelltisch liegen.
Wahrscheinlich war er, wie jeder andere hier, der in diesem Gebäude arbeitete, überrascht, einen Teenager zu erblicken. »Wie kann ich Ihnen behiflich sein?« fragte er dennoch höflich. Ich trat näher an ihn heran, vermied aber den Blick auf den Toten.
»Ich bin auf der Suche nach einen Mitarbeiter, der mir sagen kann, welche Todesursache bei der kürzlich verstorbenen Holly Diaz vorliegt.« Der Mann runzelte die Stirn. »Holly Diaz? Da müsste ich nachschauen.« Er ging zurück an seinen Arbeitsplatz und schaute auf ein Klemmbrett nach.
»Die Obduktion fand heute statt. Doch die Unterlagen dazu befinden sich im Büro. Wenn Sie noch einen Augenblick warten könnten, bis ich hier fertig bin?« Ich nickte und ging wieder nach draussen auf den Gang. Es war sicherlich in seinem Interesse, aber noch mehr in meinem.
Es dauerte tatsächlich nicht lange, vielleicht zehn Minuten, aber jegliches Zeitgefühl schien man hier unten zu verlieren. Erst jetzt kam ich dazu, den Mann mittleren Alters genauer anzuschauen, als er heraustrat. Er hatte braunes Haar und war von normaler Statur. Und hatte ein freundliches, offenes Gesicht.
Mit einer Geste zeigte er mir, das ich ihn folgen sollte, was ich auch tat. Scheinbar schien er mir sehr zu vertrauen, denn er verlangte weder einen Ausweis, noch sonstige Papiere, das ich in dem Gebäude ebenfalls arbeitete.
Das Büro, in dem wir traten, sah ebenso schmucklos aus, wie alles da unten. Licht vom Fenster fiel hier nur wenig herein. Das schien auch der Pflanze nicht zu genügen, die halb vertrocknet dastand. »Da hätten wir die Unterlagen.« Der Mann nahm aus einen dicken Ordner einen Umschlag heraus.
Er reichte sie mir entgegen. »Vielen Dank.« Ich schaute mich noch ein letztes Mal um und verabschiedete mich dann. Ich war froh, als ich wieder in hellere Gänge kam. Ich schaute auf die Uhr und sah, das es fast um fünf war! Ich nahm mehrere Treppen gleichzeitig, bis ich oben völlig aus der Puste ankam.
Auf meiner Etage waren nur noch wenige Menschen anwesend. Aus meinen Büro nahm ich meine Sachen, verabschiedete mich schnell von einigen Personen und ging dann geradeaus zum Fahrstuhl. Unten im Foyer stieg ich mit leicht wackligen Beinen heraus und lief zum Ausgang. Draussen schien noch die letzten Sonnenstrahlen. Glücklicherweise erreichte ich die Straßenbahn noch rechtzeitig.
Ich ließ mich auf einen freien Fensterplatz nieder und nahm den Umschlag genauer unter die Lupe. Es befanden sich insgesamt zehn Blätter darin, wobei nur die Hälfte wirklich interessant waren. Ich schaute mich einmal vorsichtig um, ob mich auch niemand beobachtete und laß den Bericht.
Ich konnte herauslesen, das es defintiv kein Selbstmord war. Das beruhigte mich auf eine Art und Weise, doch damit stand fest, das es Mord war. Meine Finger zitterten leicht, doch ich konzentrierte mich weiter auf den Inhalt. Die Todesursache war ein Schädelbruch und die daraus folgende Hirnblutung.
Vorsichtig verstaute ich die Papiere wieder in den Umschlag und schloss meine Augen. Der Raum mit den übersäten Mails tauchte vor meinen inneren Auge auf. Ich musste auch davon unbedingt Kopien erhalten. Und dem Computer nach Hinweisen durchsuchen. Ich war der festen Überzeugung, die Antwort lag in diesen Mails.
Ich beschloss, eine Station früher auszusteigen, um mir endlich einen Wecker zu besorgen. Ich überlegte, ob ich auch gleich einen IPod dazukaufen sollte. Das Geld hatte ich defintiv dafür. Auch wenn man nur in so einer kleiner Position war. Das hieß aber nicht, das ich seiddem verschwenderisch lebte.
Natürlich gab es da den einen oder kleinen Wunsch; das teuere Parfüm, das man schon immer in der Schulzeit wollte, oder einfach eine DVD, wovon das Taschengeld nie ganz reichte. Noch jetzt waren die Straßen vollends belebt und ich ging auf eines der großen Einkaufszentren zu. Schnell hatte ich meine gewünschten Items gefunden. Auf der
Rolltreppe malte ich mir schon aus, welche Songs ich aussuchen würde. In der Werbung und auf den Musiksendern im Fernsehen gab es immer viel Anregung. Als ich das kleine Kästchen in den Händen hielt, konnte ich es kaum fassen, gerade so ein Spontaneinkauf getätigt zu haben. Was Liam wohl dazu sagen würde? Ich grinste über die Vorstellung, wie er mich wohl taddeln würde, soetwas Unnützes zu kaufen.
Just in diesem Moment klingelte mein Handy, und oha; auf dem Display erschien Liams Name! Was das Schicksal wohl manchmal für Spielchen treibt... »Hi!« rief ich freudig hinein. »Was gibt es?« Am anderen Ende der Leitung konnte ich ein Lächeln vernehmen. »Ich wollte mich erkundigen, wie es dir geht, Darling.« säuselte er und ich verdrehte leicht die Augen. Ich vermied es, solche Ausdrücke zu benutzen, da ich sie
albern fand, aber Liam? Er schüttete mich wieder damit gerne zu... »Mir geht es prima. Ich habe mir gerade einen Wecker gekauft. Ist doch toll, oder?« »Einen Wecker?« Er klang sowohl verwirrt, als auch misstrauisch. »Ähm... Ja. Ich hatte heute früh verschlafen und nun wollte ich endlich einen kaufen.« Ich schnitt ein anderes Thema an. »Wie läuft es bei dir? Habt ihr viel zu tun?« Während ich weiterlief, bemerkte ich gar nicht, das ich glatt an der Haltestelle vorbeilief.
»Das Übliche.« erwiederte Liam. »Aber es passt schon.« Das klang weniger erfreulich. »Ich hoffe, ich kann dich bald wieder in die Arme schließen. Viel besser, als hier mit einen Haufen Männern zu verbringen.« Ich lachte leicht. »Das packst du schon...« Ich wollte weiter weiterreden, doch soweit kam ich gar nich mehr. Ich hatte meine Umgebung so um mich vergessen, das ich gar nicht bemerkte, wie mir scheinbar jemand gefolgt war. Diejenige Person legte ihre Hand auf meinen Mund, damit ich nicht schrie.
Ich begann zu zappeln, doch der Angreifer war stärker und zog mich in eine kleine Gasse. Unbeantwortet ließ ich mein Handy fallen.
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