Dienstag, 9. Oktober 2012

Kapitel 60

»Lange ist es her, das mir jemand mal wieder Gesellschaft leistet.« rief der Junge mit roten Schopf zu Liam herüber, als der Wärter weg war. Auch diese Zelle war nicht besonders groß, und ausser einem Doppelstockbett, einen Schrank sowie abgetrennten Nasszellbereich gab es nicht viel. Der Junge saß oben, angelehnt an der Wand mit verschränkten Armen. Interessiert und mit einen kleinen Grinsen schaute er auf seinen neuen Zellgenossen herunter. Liam kam sich etwas verloren vor, beschloss dann aber, auf dem Bett Platz zu nehmen. Er wusste nicht so recht, ob er den Jungen trauen konnte. Er war defintiv jünger als er. Aber war er auch gefährlicher und agressiver? »Wie lange sitzt man hier ein?« fragte Liam geradewegs heraus, denn die Frage beschäftigte ihn immer noch. Das enlockte den Rothaarigen ein Lachen. »Ist das deine einzige Sorge?« Liam zuckte unbeholfen mit den Schultern. »Mich hat darüber niemand aufgeklärt.« »Selbstgefällige Idioten...« kam es von oben. Da beugte er seinen Kopf über das Bett und schaute Liam geradewegs an. Auf seinen Gesicht huschte ein besorgniserrregendes Lächeln. »Der Richter wird darüber entscheiden, ob du hier je wieder rauskommen wirst. Sie können dich hier jahrelang drinne schmorren lassen. Oder überführen dich ins Staatsgefängnis. Dagegen ist das hier die reinste Kinderkacke.« Liam schluckte etwas. Diese Antwort hatte er sich nicht erhofft. »Wie lange sistzt du hier schon?« fragte er so gelassen wie möglich. »Ein paar Monate vielleicht? Die Zeit will hier einfach nicht vergehen...« Es herrschte Schweigen ehe er anfing zu lachen, was Liam zusammenzucken ließ. »Du stellst viel zu viele Fragen. Wenn du hier zu was bringen möchtest, musst du dich durchkämpfen und von niemanden etwas gefallen lassen. Lass mich raten? So wie du aussiehst, gehörst du zu der älteren Generation, richtig?« Das entlockte Liam ein kleines Lächeln. Als Opa bezeichnet zu werden war in solch einer Situation komisch. »Fast.« antwortete er. »Fünfundzwanzig, um genauer zu sein.« Der Junge klatschte in die Hände. »Großartig. Dann wirst du wohl bald ins Staatsgefängnis überführt, wenn sie dich noch länger einbehalten wollen. Bis dahin sollten wir uns die Zeit vertreiben, mhmm?« Sein Gesicht erschien wieder über Liams Kopf, was ihn erneut beunruhigte. Der erste Gedanke, den ihn durch den Kopf jagte war Sex. Hatte er nicht darüber mal was in Fernsehen gehört? Oder in irgendeiner Zeitung? Das Letzte was er jetzt wollte war Geschlechtsverkehr mit einen anderen Jungen. Während Liam halb verkrampft dasaß und auf irgendwelche Anzeichen wartete, geschah nichts dergleichen. Der Rothaarige begann erneut zu lachen, denn er bemerkte Liams Verstimmung. »Glaubst du allen Ernstes, ich überfalle dich in unserer kleinen Zelle? Dafür gibt es Andere, die diesen Job übernehmen.« Nervös strich sich Liam über das Haar. »Entspann dich mal.« Er zog eine Augenbraue hoch. »Solange du dich nicht als Zielschreibe präsentierst, wird dir auch nichts passieren. Mein Name ist übrigens Noah.« »Liam.« antwortete dieser kurz angebunden. »Dann wäre das auch geklärt. Dann kann ich dir ja nächstes Mal ein bisschen unser Zuhause zeigen.«

Liam und Noah wurden gewiss keine unzertrennlichen Freunde. Hier im Knast hatte jeder mit sich zu tun, das er ohne größere Probleme den Tag überstand. Doch eine gewisse Freundschaft entwickelte sich dennoch. Dies wurde Beide bewusst, als es einen Nachmittags auf dem Sportplatz, wenn man sich den ganzen Zaun und Stacheldraht wegdenkt, eine Prügellei unter rivalisierenden Banden gab. Es reichte nur ein einziger Blick, ehe der andere sich davon sofort angegriffen fühlte. Ohne große Hintergedanken ging Liam an ihnen vorbei. Er war sich nicht sicher, wieviele Tage seiddem verstrichen waren. Oder Wochen. Fest stand, das es fast soetwas wie eine Routine gab. Pro Tag konnte man für drei Stunden nach draussen, ehe man den Großteil des Tages in der Zelle verbrachte. Ausgenommen die Mahlzeiten, die man zu sich nahm. Verbessert hatten sie sich allerdings nicht. Überhaubt hatte sich nichts an seiner Siatuation geändert. Man ließ ihn weiter im Unklaren und weiter zusammen mit anderen Häftlingen schmorren. Dabei war er im Grunde genommen froh darüber, sich mit Noah eine Zelle zu teilen. Natürlich wusste er rein gar nichts über seine Vergangenheit. Oder seinen wahren Charakter. Sein Gefühl sagte ihn jedoch, das er auf der Hut sein sollte. Bei jedem, egal, wie freundlich er auch erscheinen mag. Liam war tief in Gedanken versunken, so da er gar nicht mitbekam, als einer der Kerle anfing, wie wild auf einen Anderen einzuschlagen. Andere Mitglieder zogen sofort nach. Innerhalb kurzer Zeit gab es eine Massenschlägerei und die Anwärter reagierten sogleich. Es wurden bellende und beißende Hunde losgelassen, was die Gefangenen nur wenig störte. Erst jetzt wurde Liam bewusst, in welcher Sitaution er sich eigentlich befand. Zu spät realisierte er, das er direkt einen Schlag in den Bauch bekam, und Augenblicke später einen Tritt in den Rücken. Erst jetzt sahen die Wärter sich gezwungen, zu den Waffen zu greifen. Schüsse erfüllten die Luft und trieben die Masse augenblicklich auseinander. Liam konnte endlich wieder frei atmen, wobei ihn selbst das schwer fiel. Lag es an den Tritten und Schlägen? Er schaute auf den Boden und seine Augen weiteten sich. Unter ihm hatte sich eine Blutpfütze gebildet.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen