Als ich das Fenster öffnete, ich glaubte, ich sei im Badezimmer, spürte ich die kühle Nachtluft und kleine Regentropfen auf meiner Haut. Ich schloss für einen kurzen Augenblick die Augen und schaute hinab in die Tiefe. Natürlich konnte ich nur schemhaft erkennen, wie weit es tatsächlich runter ging. Ich hörte Schritte hinter mir und drehte mich ruckartig um.
Da sah ich die Gestalt am anderen Ende des Raumes. Noch immer hatte er seine Bedrohlichkeit nicht verloren und ich sah, das er etwas aus seinen Mantel hervorholte. Der Abzug einer Pistole glänzte im Schein der Laternen. Meine Augen weiteten sich vor Schreck. Ohne jegliche Vorbereitung ließ ich mich nach hinten fallen, ehe ich etwas Heißes auf meiner Haut spürte.
Vor Schmerz schrie ich kurz auf, ehe ich realisierte, das mich ein Streifschuss erwischt hatte. Meine Haare wehten im Wind und der Regen kühlte die Wunde erheblich. Während ich weiterfiel, sah ich am Fenster den Schatten des Mannes. Beim besten Willen konnte ich nicht das Gesicht erkennen. Doch es war egal. Denn mich überkam eine unheimliche Müdigkeit. Ich wollte um jeden Preis wach bleiben, doch da spürte ich auch
schon den Aufprall auf dem Boden.
Ich muss wohl eine ganze Weile völlig weggetreten sein. Erst, als mich jemand sanft rüttelte, bekam ich endlich meine Augen auf. Ich stellte fest, das es immer noch Nacht war. Im Hintergrund glitzerten weiterhin die Lichter der Straße. Und ich sah in das äußert besorgte, aber dennoch überraschte Gesicht von Nathan. Ärger flammte in mir auf und ich überlegte, einfach von ihm wegzulaufen. Doch ich merkte, das mir meine schmerzende Schulter einen Strich durch die Rechnung machte.
Und wohlgemerkt lag ich auch noch in seinen Armen, was eine Flucht wesentlich erschwerte. »Was machst du denn hier draussen?« fragte ich unter zusammengebissenen Zähnen und lächelte tapfer. Die Schmerzen ignorierte ich dabei vollkommen. Nathan sah mich mit gerunzelter Stirn an. »Das Gleiche könnte ich dich auch fragen.« Wir verfielen in Schweigen. »Könntest du mich vielleicht loslassen?« verlangte ich nach einer Weile. Er kam meinen Wunsch überraschenderweise nach, ließ es sich aber nicht nehmen, mir aufzuhelfen.
»Und? Was machst du nun hier? Reichlich spät für einen Spaziergang, oder?« Ich war immer noch leicht angesäuert über seine Aktion. »Wie wärs, wenn ich dich erstmal ins Krankenhaus bringe?« Lenkte Nathan ab und schaute auf mich herab. Ich tat es ihm gleich und sah, das ich jede Menge Wunden davon getragen hatte. Ich würde in den nächsten Tagen wohl übersät mit blauen Flecken sein! »Das wäre keine schlechte Idee.« gab ich lächelnd zu. Während Nathan uns beide ein Taxi rufte, setzte ich mich auf eine Bank. Meinen Oberkörper weit vorgebeugt saß ich da und starrte meine nackten Füße an.
Das Blut, das aus einigen Wunden tropfte, war schon längst getrocknet. Ich sah, das mein rechter Arm und dessen Ärmel schon vollkommen blutgetränkt war. Der Schmerz pulsierte, war aber nicht mehr unerträglich. Die Kälte kroch in meine Knochen und ich begann unweigerlich zu zittern. Nathan setzte sich neben mich und legte seine Lederjacke um mich. Sie war angenehm warm und roch nach seinen Aftershave. Ich schloss meine Augen und realisierte erst jetzt, was passiert war. Es trieb mir Tränen in die Augen, das die ältere Dame nun tot war. »W-Wir müssen die Polizei rufen!« brachte ich unter tränenerstickter Stimme hervor.
Doch Nathan schien darauf gar nicht einzugehen. Ja, er nahm es gar nicht ernst, was ich da von mir gab. Stattdessen strich er sanft über meine unverletzte Schulter. »Es wird alles gut. Du stehst unter Schock. Im Krankenhaus wird amn für dich sorgen. Das Taxi ist bestimmt gleich da.« Ich schüttelte den Kopf und mir fiel ein, das ich das Medaillon gar nicht mehr bei mir hatte. Es lag noch im Gästezimmer. »I-Ich brauch das Medaillon.« flehte ich und wollte aufstehen. Doch Nathan hielt mich zurück. »Bleib hier.« sagte er mit ernster Stimme, was mich sofort erstummen ließ. Interssierte es ihn gar nicht, das gerade jemand umgebracht wurde?
In dem Moment kam auch schon das Taxi und Nathan führte mich dahin. Widerstrebend ging ich mit, wollte ich doch eigentlich zurück in die Wohnung. Nachdem er ein paar Worte mit den Taxifahrer ausgetauscht hatte, ging es schweigend zum Krankenhaus. Dort wurde ich sofort in die Notaufnahme aufgenommen. Man untersuchte meine Wunde und machte Röntgenbilder, um sicher zu gehen, das ich keine inneren Verletzungen hatte. Letztendlich kamen die Ärzte zu dem Schluß, das ich großes Glück hatte, keine ernsthaftere Verletzung davongetragen zu haben. Ich bekam einen Verband umgelegt und ein Rezept für ein Schmerzmittel.
Nathan wartete währenddessen auf dem Gang auf mich und empfing mich mit offnen Armen. Ich lächelte zaghaft und ließ es zu, das seinen Arm um meine Tallie schlang. »Ich werde dich jetzt am besten heimbringen.«
Kaum landete ich auf dem Sitz in Nathans Auto, fielen mir auch schon die Augen zu. Ich war furchtbar müde, was ganz bestimmt nicht an den Schmerzmitteln mag, die man mir verabreicht hatte. Während ich langsam wegdämmerte, schossen mir wieder allerlei Szenen durch den Kopf, die sich mit meinen eigenen Fragen vermischte.
Warum beispielsweise interssierte Nathan überhaubt nicht der Mord? Und was hatte er Nachts da draussen zu suchen? Ich hoffte so sehr, das jemand die Polizei gerufen hatte. Erneut verspürte ich den Drang, in die Wohnung der älteren Dame zu kommen. Wir hielten an und ich öffnete schwerfällig meine Augenlider. »Sind wir schon da?« murmelte ich. Nathan, der die Tür geöffnet hatte, nickte und beugte sich zu mir herunter. »Kannst du aufstehen?«
Ich überlegte, doch die Müdigkeit raubte mir jegliche Kraft. Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Sorry.« murmelte ich vor mich hin. Ohne zu zögern schlang Nathan seine Arme um meinen Körper und zog mich heraus. Mühelos machte er dabei die Autotür zu und ging mit mir herüber zum Einang des Appartments. »Du hast sicherlich keinen Schlüssel bei dir, oder?« fragte mich Nathan, als er die Treppe hinterging. Mich überkam eine unheimliches Déja-vu, als mich Liam da heruntergetragen hatte.
Abermals schüttelte ich de Kopf. »Glaub nicht.« brachte ich mühsam hervor. Dabei musste ich mich wirklich anstrengen, nicht wieder einzuschlafen. Als wir oben angekommen waren, konnte ich es dennoch nicht schaffen, meine Augen offen zu halten. Trotzdem spürte ich, das wir doch irgendwie in die Wohnung kamen. Wie, das war mir egal. Hauptsache, ich kam schnellstens in mein Bett. Kaum hatte Nathan die Tür hinter sich zugezogen, rief eine angespannte Stimme: »Was hast du mit Laurie angestellt?«
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