Donnerstag, 23. August 2012

Kapitel 43

Die nächsten Tage stürzte ich mich förmlich in Arbeit und nahm breitwillig jede Aufgabe entgegen. Seiddem Vorfall im Flur hatte ich Nathan kein einziges Mal gesehen, obwohl er sich immer in der Nähe meines Arbeitsplatzes aufhielt. Es beschäftigte mich immer noch, warum er dieses Medaillon haben wollte. Während ich irgendwelche Formulare und Zettel ausfüllte, fiel mein Blick immer wieder darauf, was ich auf den Schreibtisch vor mir gelegt hatte. Vielleicht sollte ich die ältere Dame fragen... überlegte ich mir und kaufte nervös auf dem Kulli rum. Mein Vorhaben setzte ich nach der Arbeit in die Tat um.

Doch die Sache gestaltete sich schwieriger, als gedacht. Wo sollte ich nur anfangen zu suchen? Eine Adresse hatte ich nicht. Und ich konnte mich nur an ein Gesicht erinnern. Unmöglich, das ich ganz New York nach dieser Frau abklapperte. Mir kam die Idee, im Park anzufangen. Dort hatte ich die ältere Dame kennengelernt. Vielleicht hielt sie sich ja öfters da auf. Ich konnte es kaum erwarten, aus meinen Schuhkarton herauszukommen. Auch wenn es schon Nachmittag war, hoffte ich, nicht zu spät zu kommen. Der Park war riesig, und ich musste rennen, um mich umschauen zu können. Als ich mehrere Meter vorwärtslief, sah ich in der Ferne tatsächlich etwas Vertrautes sitzen. Völlig aus der Puste kam ich vor der älteren Dame zum stehen. »G-Guten Tag.« Ich schaute auf und sah, das es sich tatsählich um die ältere Dame handelte. Sie lächelte mich neugierig an. »Haben Sie sich etwa auf den Weg gemacht, um mich zu besuchen?« Ich nickte. »Ja. Finden Sie das in Ordnung?« Die ältere Dame lächelte. »Es stört mich nicht.« Sie klopfte einladend auf den Platz neben sich. »Setze dich doch. Erzähl mir von deinen Tag.« Etwas verdutzt schaute ich sie an. Ich erzählte ihr nicht die ganze Wahrheit. Nur die Version, das ich einen total langweiligen Bürojob hatte. Was ja im Prinzip auch stimmte. Die ältere Dame hörte mir geduldig, bis zum Schluß zu. Als eine kleine Pause enstand, holte ich das Medaillon hervor. »Wie ich sehe, trägst du es bei dir. Das freut mich sehr.« Ich nickte. »Ich hätte eine Frage dazu. Könnte ich Ihnen diese stellen?« Die ältere Dame sah mich minutenlang schweigend an. Und beinahe glaubte, ich, mit einer Absage zu rechnen. »Was halten Sie davon, wenn Sie mich nach Hause begleiten? Ich wette, bei einer Tasse Tee lässt sich gut darüber reden.« Ich schaute sie etwas irretiert an, stimmte aber dennoch zu. Ehrlich gesagt, war ich auch sehr gespannt darauf, wie die Wohnung, oder gar Haus, aussehen mochte. Wir setzten uns in Bewegung und sprachen noch auf den ganzen Weg über verschiedene Themen.

Eigentlich hätte es mich nicht überraschen sollen, zu sehen, wie die ältere Dame so lebt. Von der Straßenseite sah es aus, wie ein unscheinbares Appartment. Aber was sich Innen befand. Das übertraf meine kühnsten Träume. Ich traute mich kaum, einen Fuß auf den Boden zu setzen, geschwiege denn, mich hinzusetzen. »Leben Sie hier alleine?« fragte ich neugierig und blieb im Gang stehen. »Also, ich meine damit, ob Sie noch eine Haushaltshilfe oder soetwas haben?« Die ältere Dame ging in die Küche und ich folgte ihr. Während sie Wasser in einen Teekessel aufkochte, suchte sie nach dem Tee. »Ja. Aber heute hat sie frei. Sie kommt nur vier Mal die Woche vorbei und hilft mir im Haushalt. Doch ich komme noch ganz gut allein zurecht.« Endlich hatte sie die Dose gefunden und schraubte den Deckel auf, um den süßen Duft einzuatmen. »Orange-Zitrone.« erwiederte sie. »Ich hoffe, das schmeckt dir.« »Bestimmt.« antwortete ich. Wir gingen in das Wohnzimmer und setzten uns hin. Der Boden war blanker Marmor und glänzte wie verrückt. Über uns hing ein riesiger Kronleuchter. Und die Sitzmöglichkeiten sahen majestetisch aus. Als der Teekessel pfeifte, stand die ältere Dame wieder auf und begab sich in die Küche. Währenddessen schaute ich mich genauer um und konnte immer noch nicht fassen, wo ich mich befand. Auf einer Kommode entdeckte ich mehrere, eingerahmte Fotos. Ich ging darauf zu und betrachtete neugierig die darauf abgebildeten Personen. Ein Foto erregte meine Aufmerksamkeit besonders. Es zeigte ein junges Mädchen, vielleicht sieben oder acht Jahre alt. Das Erstaunliche war, das ich diesem Mädchen zum verwechselnd ähnlich sah, soweit ich mich noch an meine Kinderfotos erinnern konnte. »Wer ist das auf den Foto?« fragte ich, während die ältere Dame wieder zurückkam. Sie stellte das Geschirr aus Porzellan, mit einen zarten Blumenmuster, auf den Tisch ab. Sie deutete mit der Hand, mit dem Foto zu ihr zu kommen. Ich setzte mich auf einen der Sessel, und stellte das Foto auf dem Tisch ab. »Es handelt sich dabei um meine Enkelin.« Sie lächelte und rührte verdankenverloren in ihren Tee umher. »Ihr Name ist Laureen. Ich habe sie seid Jahren nicht mehr gesehen. Wie bereits schon erwähnt, ist das Verhältnis zu meiner Tochter nicht gerade gut.« Ich nickte mitleidig und schaute mir das Foto nochmal an. Es herrschte eine Pause und nur das klirren des Teelöffels an der Tasseninnenseite konnte man vernehmen. Ich räusperte mich und holte das Medaillon hervor und öffnete es. »Können Sie mir auch noch sagen, bei wem es sich handelt?« Einen Moment lang kam mir dir verrückte Idee, das könnte vielleicht Nathan sein. Aber warum sollte es dann in solch einer Qualität gemacht wurden sein? Heutzutage gab es ja Farbfotografien. Oder es war sein Vater..? Vielleicht hat er deswegen nach dem Medaillon gesucht? Während die ältere Dame einen Schluck von ihren Tee nahm, betrachtete sie das kleine Foto aufmerksam. »Wie du vielleicht vermutest, handelt es sich dabei um meinen Mann. Ich hatte es immer als Glücksbringer bei mir getragen und war stolz vor Freude, als er es mir vor vielen Jahren geschenkt hatte.« Ich rutschte unbehaglich auf meinen Sitz umher. »Aber dann kann ich es unmöglich annehmen!« stieß ich wieder hervor. Doch die Frau schüttelte engerisch den Kopf. »Doch. Das kannst du. Ich glaube, eines Tages wirst du es verstehen.« Was sollte denn die merkwürdige Aussage? Ich runzelte leicht die Stirn. Es liefen erneut abertausende Situationen und Möglichkeiten in meinen Koopf ab. Gedankenversunken probierte ich vom Tee und musste feststellen, das er ausgezeichnet schmeckte.

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