Donnerstag, 23. August 2012

Kapitel 41

Am Abend erwartete mich, während ich wieder mehr oder weniger lustlos durch das TV zappte, ein Anruf von Liam. Ich sprang förmlich auf und nahm mit zittrigen Fingern den Anruf entgegen, als ich sein Namen auf dem Display laß. »Endlich rufst du an!« rief ich freudig und erregt zugleich. Ich bemerkte, das meine Stimme leicht zitterte, was auch nicht Liam entging. »Ist etwas passiert?« fragte er leicht besorgt. »Deine Stimme...klingt anders.« Ich räusperte mich kurz. »Äh... Einbildung. Das kommt nur so rüber, weil ich dich hier schrecklich vermisse.« tat ich als Erklärung ab. Auch wenn ich es nicht sehen konnte, runzelte er die Stirn. Seine Stimme klang leicht angespannt. »Ein bisschen musst du noch durchhalten. Danach unternehmen wir sofort die Dinge, die wir in der Zwischenzeit verpasst haben.« Ich lächelte und ein kribbeliges Gefühl breitete sich in mir aus. »Na klar. Ich kann es kaum erwarten. Wie läuft es bei dir?« fragte ich vorsichtig nach und versuchte damit, auf ein anderes Thema zu kommen. »Hier läuft alles soweit gut. Nur tagsüber ist es anstrengend. Die ungewohnte Hitze und so... Selbst Nachts hat man nicht seine Ruhe. Doch jede freie Minute, die mir übrig bleibt, widme ich dir.« Ich verdrehte spielerisch die Augen. »Wie süß. Das weiß ich sehr zu schätzen.« antwortete ich wahrheitsgetreu. »Wie sieht es bei dir auf der Arbeit aus?« fragte Liam mich und brachte mich etwas in Verlegenheit. Was sollte ich ihn nur erzählen? »Da gibt es einen Mordfall an dem ich drann bin...« fing ich an und wählte meine Worte mit Bedacht. »Es ist ein sehr ... merkwürdiger Fall. Und ich hoffe, wir können ihn aufzuklären.« »Bringe dich aber deswegen nicht selbst in Gefahr.« riet er mir. Ich musste schlucken. Ich hatte mich schon in Gefahr gebracht. Doch ich wollte Liam keinesfalls von den Vorfall erzählen. Noch nicht, zumindest. Sonst würde er sich wohl kaum auf seinen Job konzentrieren können. »Ich werde schon auf mich aufpassen. Keine Sorge.« antwortete ich stattdessen. »Pass lieber du auf dich auf. Daheim möchte ich dich nicht wieder zusammenflicken.« Liam lachte etwas. »Die werden hier schon ihr blaues Wunder erleben. Du wurst schon sehen. Damit die Telefonkosten nicht zu hoch werden, sollten wir lieber für heute aufhören.« Ich sank zurück auf die Couch. »Schade. Aber wir wollen es ja am Telefon nicht übertreiben.« Einen Moment herrschte Schweigen, ehe ich mich mit »Ich liebe dich. Egal, was passiert.« veabschiedete. Liam erwiederte meine Äußerung. Ich legte auf und zog meine Knie an meinen Körper. In mir breitete sich eine komische Leere aus, was mein Herz zu zereißen drohte.

Der nächste Morgen sah schon ganz anders aus. Die gewohnte Umgebung meines Arbeitsplatzes erwartete mich. Ich hatte sogar schon den typischen Papierstapel und Aktenberg vor meinen geistigen Auge. Doch als ich die Tür öffnete, erwartete mich stattdessen ein Laptop, der in eine Zipperfolie eingepackt war. Ich konnte daraus schließen, das die Spurensicherung schon alles untersucht hatte. Nun ging es um Feinheiten. Natürlich ging ich davon aus, das es der Laptop von Holly war. Es war ein leichtes, die Festplatte zu durchsuchen, da das System nicht mehr passwortgeschützt war. Neben vielen Bildern, hauptsächlich von ihren Freundinnen und ihr, erregte besonders ein Ordnerkomplex meine Aufmerksamkeit, die dem Chatverlauf ihres Freundes gewidmet war. Tatsächlich fanden sich alle Chatverläufe wieder, die ich zuvor daheim ausgedruckt hatte. Die Zeit verflog sehr schnell, denn ehe ich mich versehen hatte, waren schon fast vier Stunden rum! Am Ende hatte ich dennoch eine sehr nützliche Information herausgefunden: Die Adresse von Hollys Freund.

Es stand ausser Frage, das ich mich sofort auf den Weg machte. Die Adresse war überraschenderweise hier in New York gemeldet. Ich hätte erwartet, die Fahrt würde mich woanders hinführen. Stichwort Fahren... Da fiel mir ein, das ich gar nicht allein Auto fahren konnte. Resigniert stützte ich meinen Kopf auf der Schreibtischplatte ab. Mir blieb wohl nichts anderes übrig, als Nathan zu fragen, ob er mich zu der Adresse hinfahren könnte. Ein wenig grauste es mir allerdings schon, ihn anzurufen. Doch ich redete mir ein, das ich dies aus beruflichen Gründen tat. Das hatte rein gar nichts mit der Beziehung zwischen Liam und mir zu tun. Ich atmete einmal tief durch und wählte dann Nathans Handynummer (die kurioserweise schon auf meinen neuen Handy drauf war). »Laurie! Es freut mich, dich zu hören. Wie geht es dir?« »Ganz gut.« antwortete ich schnell. Ich hoffte, er würde nicht auf den Vorfall in der Disco zu sprechen kommen. Falls da überhaubt etwas passiert war. »Ich muss dich unbedingt um einen Gefallen bitten.« redete ich schnell weiter und ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen. »Kannst du herkommen? Mit Auto, wenn möglich?« Eine kleine Pause enstand. Er schien zu überlegen. »Klar. Ich bin in zehn Minuten bei euch. Warte einfach in der Tiefgarage, ok?« Ich nickte, obwohl es Nathan gar nicht sehen würde. »Ist in Ordnung. Bis gleich.« Ich legte schleunigst auf, als hätte ich mich am Hörer verbrannt. Ungläubig starrte ich mein Bürotelefon an.

Wie versprochen, stand Nathan zehn Minuten später mit seinen Auto fahrbereit in der Tiefgarage. Ich stieg ein, vermied dabei aber jeden direkten Blickkontakt. »Wo soll es denn hingehen?« Ich hielt ihn einen Zettel entgegen. Mein Mund fühlte sich plötzlich staubtrocken an. »Dahin.« brachte ich mühsam hervor. Selbst das eine Wort auszusprechen, fiel mir schwer. »Das ist am anderen Ende der Stadt. Hat das was mit deinen Fall zu tun?« erkundigte er sich weiter. Ich nickte knapp und konzentrierte mich stattdessen auf die Innenausstattung. Am liebsten hätte ich gewollt, das die Fahrt schweigsam verlaufen würde. Doch scheinbar wollte Nathan sich vergewissern, das ich in Ordnung war. »Was ich schon auf der kleinen Notitz erwähnt habe, ist erledigt.« Ich nickte. »Das glaube ich dir gerne.« Nathan schaute mich leicht von der Seite an. »Du kannst dich an nicht viel erinnern, oder?« Diesmal schüttelte ich den Kopf. »Nein. Vielleicht ist es auch besser so. Habe ich Recht?« Ich lächelte leicht vor mich hin. Nathan allerdings runzelte die Stirn. Scheinbar hatte er eine andere Reaktion von mir erwartet. Das Thema fand ein Ende, als ich nichts mehr darauf erwiederte.

»Sind Sie Reece Howard?« Ein junger Herr im weißen, wahrscheinlich maßgeschneiderten Anzug und schwarzen Lederschuhen, öffnete uns die Tür. Wir befanden uns in einen der reicheren Viertels New York. Da war es nicht ungewöhnlich, auch tagsüber festlich gekleidet zu sein. Er nickte. »Und was wollen Sie?« Abschätzig schaute er auf uns herunter und verschränkte seine Arme. Von seinen Verhalten ließ ich mich keineswegs irritieren. Egal, wie reich er war. Ich hielt ein Foto von Holly Diaz entgegen. »Kennen Sie dieses junge Mädchen?« Reece runzelte die Stirn. »Nein.« antwortete er kurz angebunden. »Das ist aber merkwürdig.« rätselte ich laut vor mich hin und sah ihn ernst an. »Wie kommt es dann, das Sie Kontakt zu diesem Mädchen hatten? Ich bin mir sicher, der Name wird Ihnen gleich wieder einfallen.« Reece zuckte mit den Schultern. Plötzlich schien es, als müsste er dringend weg. Nervös wippte er auf und ab mit den Füßen. Nun schien sich auch Nathan einzuschalten. »Scheinbar hast du nicht ganz verstanden, was meine Kollegin von dir will.« Bedrohlich tat er einen Schritt nach vorn, was Reece erstaunlicherweise etwas zusammenzucken ließ. Nachdem er sich vergewisstert hatte, das Nathan ihn nicht gleich anspringen würde, als er einen fragenden Blick zu mir warf, hob er die Hände. »Ok, ok... Ich kenne dieses Mädchen. Ihr Name ist Holly, nicht wahr?« Abermals warf er einen Blick auf Nathan, der unbeweglich dastand. Ich nickte. »Richtig. In welcher Beziehung standen Sie zu ihr?« Reece verschränkte abermals die Arme und schaute ungeduldig auf seine Uhr. »Wird das hier eine Fragestunde? Fragen Sie sie doch selbst.« Ich schaute Reece todernst an. »Das würden wir sehr gerne. Allerdings wurde sie ermordet.«

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