Mitten in seiner Bewegung erstarrte Reece. »S-Sie ist tot...?« fragte er stockend. Ich konnte erkennen, das seine Augen merklich größer wurden. Also steckte doch mehr dahinter, als er zugeben wollte. Die Mails sprachen für sich.
»Ja.« antwortete ich kurz angebunden. »Eine Verwechslung ist ausgeschlossenn. Wann haben Sie Holly das letzte Mal gesehen?« Reece schien uns gar nicht zu hören. Stattdessen schüttelte er geistesabwesend den Kopf. »Ich muss sofort los!« rief er plötzlich
und schaute sich hektisch um. Doch Nathan ließ ihn keineswegs davon kommen. Stattdessen packte er ihm an Arm und rief: »Du hast ihre Frage noch nicht beantwortet. Hast du Holly gesehen?« Beide jungen Herren starrten sich einen Moment lang an. »Ich habe sie seid Wochen nicht mehr gesehen.«
antwortete Reece unter knirschenden Zähnen. Um keinen weiteren Streit zu provozieren, ich war mir ziemlich sicher, das sie sich an den Hals krallen würden... »Ich würde Ihnen meine Karte geben und mich nochmal die nächsten Tage melden. Wenn das ok ist.« Reece zuckte mit den Schultern. »Von mir aus.«
Er warf einen letzten, ja beinahe hasserfüllten Blick auf Nathan. »Wenn sie ihn das nächste Mal nicht mitbringen...« murmelte er und schloß hinter sich die Tür. »Sehr freundlich.« rief ich etwas verdutzt und ging zum Wagen von Nathan herüber.
»Er verschweigt garantiert etwas.« rief Nathan, als wir wieder im Auto saßen. Angespannt knabberte ich etwas an meinen Fingernägeln. »Ohne stichhaltige Beweise können wir ihn nicht entgültig festnehmen. Aber auf alle Fälle werde ich mich nochmal die nächsten Tage bei ihm melden.« Nathan runzelte die Stirn.
»Und wenn er flieht?« Ich schaute ihn verwundert an. »Ganz einfach: Dann folge ich ihm.«
Bevor mich Nathan wieder daheim absetzte, blieb noch genügend Zeit, um einen Kaffee trinken zu gehen. Er hatte den Vorschlag gemacht, und ich konnte nur schlecht dagegen stimmen. Es war ein einfaches, denoch gemütliches Café, in das wir gingen.
Als wir unsere Getränke bestellt hatten, klingelte mein Handy. Ich nahm meine Tasche auf den Schoß und kramte hektisch nach dem klingelnden Teil. Dabei fiel das Medaillon auf den Boden, was mir die ältere Dame geschenkt hatte. Ich hatte es bis dahin als eine Art Glücksbringer getragen.
Bisher hatte ich es auch nur ein einziges Mal geöffnet. Wie nicht anders zu erwarten, befand sich darin ein Bild eines jungen Herren. Vermutlich war es der Ehemann der älteren Dame. Oder Freund früherer Jugendtage. Auch Nathan erhaschte einen Blick auf das Schmuckstück. »Wo hast du das denn her?«
Verwundert schaute ich ihn an. »Ach das?« Ich zuckte mit den Schultern. »Das habe ich geschenkt bekommen. Eine Art Glücksbringer. Magst du es mal sehen?« Er lächelte mir freundlich zu. »Gerne.« Breitwillig reichte ich ihm das Medaillon und er öffnete es vorsichtig. Für eine Sekunde schien alles normal zu sein,
bis mich sein Blick auf das Foto doch etwas verwunderte. Nathan starre mehrere Sekunden lang darauf, ehe er es wieder, zugeklappt, zu mir herüberschob. »Alles in Ordnung?« fragte ich. »Du hast das Bild so sonderbar angeschaut.« Just in dem Moment kamen unsere Getränke. Nachdem Nathan einen Schluck von seinen Espresso genommen hatte, wedelte er mit der Hand.
»Das Foto hat mich nur an meinen Opa erinnert. Er ist allerdings schon vor ein paar Jahren gestorben.« Mein Blick senkte sich. »Das tut mir Leid.« murmelte ich, während ich vorsichtig an meinen Tee nippte.
Nach fast zwei Stunden waren wir fertig und Nathan bot mir an, mich vor meiner Wohung abzusetzen. Ich stimmte dem zu und wir fuhren schweigend dahin. Mir wollte kein gutes Gesprächsthema einfallen, stattdessen legte ich mir alle möglichen Theorien zusammen, was den Mord an Holly betraf.
»Wenn du willst, kannst du noch kurz hochkommenn« schlug ich vor. Wobei ich selbst nicht so genau sagen konnte, warum ich das tat. Nathan blieb iim Flur stehen, während ich meine Jacke aufhängte und in die Küche ging. »Magst du noch etwas trinken?« fragte ich über die Schulter hinweg, während ich mir wieder einen Tee zubereitete.
»Gerne. Ein Glass Wasser würde reichen.« antwortete er. Während ich wartete, bis das Teewasser heiß war, schaute ich vom Küchenfenster aus, auf die untergehende Sonne. Nachdem ich weitere fünf Minuten damit verbrachte, den Tee aufzubrühen, trat ich mit dem Glas Wasser und dem Tee auf den Flur. Meine Augen weiteten sich, als ich sah, das Nathan in meiner Tasche rumwühlte.
Ich ließ beide Getränke auf den Boden fallen, die mit einen großen Klirren zersprangen. Der Inhalt vergoß sich auf den ganzen Boden. »W-was tust du da?« fragte ich mehr verdutzt als verärgert. Nathan drehte sich zu mir um und schaute mich nur ausdruckslos an. Er zog seine Hand aus meiner Tasche. In seiner Hand hielt er das Medaillon. »Was willst du damit?« Meine Augen verengten sich und ich trat
mehrere Schritte auf ihn zu. Ich packte ihm am Arm und starrte ihn minutenlang an. Ich zitterte leicht und Nathan gab mir ohne Worte das Medaillon zurück, indem er es mir in die andere Hand drückte. »Verschwinde von hier.« rief ich bedrohlich und verwies ihn unmissverständlich der Wohnung. Das tat Nathan dann auch. Er drehte sich nicht um, als er die Tür schweigend hinter sich zuzog.
Ich blieb einen Moment länger im Flur stehen und fragte mich, was das sollte. Ich fühlte mich betrogen und verraten. Schweigend sammelte ich die Scherben auf und wischte die Reste des Tees weg. Ich zog mich auf die Couch zurück und schaltete den Fernseher ein.
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