Mittwoch, 15. August 2012

Kapitel 15

Ich fühlte mich etwas wacklig auf den Beinen, als ich meine nackten Füße auf den kalten Fußboden setzte. Einen Moment blieb ich noch sitzen, ehe ich mit festen Griff nach meinen kleinen Fahrgestell griff und den Weg zur Tür ansteuerte. Vorsichtig spähte ich aus meinen Zimmer heraus. Der Flur war spährlich beleuchtet, zudem konnte ich niemanden vom Personal entdecken. Das Glück war wohl auf meiner Seite. Im Stillen überlegte ich mir allerdings schon die eine oder andere Ausrede, falls mich jemand fragen würde, was ich hier mitten in der Nacht täte. Ich begente niemanden. Zumindest keiner Krankenschwester oder einen Arzt. Lediglich der eine oder andere Patient kreuzte meinen Weg. Doch die Leute beachteten mich nicht wirklich. Ein kurzer Blick, dan waren sie wieder mit sich selbst beschäftigt. Um mich in dem riesigen Komplex zurechtzufinden, folgte ich diversen Ausschilderungen, Schon bald hatte ich das Gefühl, mich im Kreis zu bewegen. Und da erblickte ich die Tür, die mich nur wenige Meter von Liam trennte...! Naja... im hypotetischen Sinne; nicht das ich irgendwelche, wohlmöglich verliebte Gefühle entwickelte... Ich machte mir lediglich Sorgen. Ich schloss erleichtert die Tür hinter mich zu und schaute mich aufmerksam um. Auch hier war zunächst keine Spur vom Personal. Ich bezweifelte, dass das solange blieb. Mir kam eine verrückte Idee, doch diese war immerhin besser, als in voller Körpergröße auf den Flur umherzuirren. Kurzerhand schmiss ich mich auf den Boden, ließ dabei aber das Drahtgestell aufrecht stehen. Sollte also zufälligerweise jemand um die Ecke schauen, würde er wohl nur das Teil da sehen. Und sich nichts großartiges dabei denken. Naja... vielleicht, das jemand vergessen hatte, es wegzuräumen. So war meine Theorie. Und ich hoffte, sie ging auf. Hinüber ging es zur Praxis: Robbe dich auf den Fußboden in eines der Zimmer. Wobei ich eigentlich keinen blassen Schimmer hatte, in welchen Zimmer Liam eigentlich lag. Auf gut Glück kriechte ich auf den Boden entlang. Und hoffte, das mich niemand sah, erinnerte mich der Gang doch fast wie bei einen Würmchen. Die Bauchlage war sowieso unbequem, und dann noch das Teil hinterherzuziehen, was glücklicherweise nicht schwer war!, gefiel mir auch nicht besonders. Als ich bei der dritten Tür angekommen war, wagte ich einen Blick nach hinten. Niemand zu sehen. Langsam richtete ich mich auf und schaute durch das verglaste Fenster vor mir. Vor Glück hätte ich beinahe einen Freudenschrei ausgestoßen. Tatsächlich hatte ich das Zimmer gefunden, in dem Liam lag! Ich hielt mir meine Hand vor den Mund und prüfte mit der anderen, ob ich problemlos in den Raum kam. Ein wenig hatte ich die Befürchtung, das Personal hätte das Zimmer abgeschlossen... Möglichst geräuschlos betrat ich das Zimmer und schaute mich um. Es hatte sehr viel Ähnlichkeit mit dem, wo ich als Erstes zu Bewusstsein gekommen war. Steril, weiß wirkende Wände und jede Menge Geräte sowie Kabel. Ich traue mich gar nicht, näher an Liam heranzutreten. Da im Mondlicht, das auch hier reinfiel, sah er furchtbar zerbrechlich aus. Ein Gefühl, war es Sehnsucht?, trieb mich nach vorne. Und da stand ich nun, schweigsam, und wusste nicht so recht, was ich nun tun konnte. Ich hatte mal gelesen, das man mit Koma-Patienten reden sollte. Beschleunigt wohl den Heilprozess. Doch mir fielen keine passenden Worte an. Stattdessen beugte ich mich nach vorne und gab ihn einen Kuss auf die Stirn.

Ich hatte es gerade geschafft, die Tür so leise wie möglich hinter mir zu schließen, da erweckte unweigerlich ein Räuspern mein Interesse. Zentimeter für Zentimeter drehte ich mich um und sah vor mir eine verärgerte Krankenschwester. Sie hatte die Hände in die Hüfte gestemmt und sah alles andere als freundlich aus. »Würden Sie mir verraten, was Sie hier verloren haben? Das hier ist die Intensivstation, und soweit ich informiert bin, sind keine Nachtbesuche erlaubt.« Ich versuchte so gelassen wie möglich zu klingen, als ich mit meinen Mittelfinger auf den Gang deutete. »Ich wollte lediglich schauen, ob jemand noch am Leben ist.« Ich traute der Frau eine Menge zu, das sie mit zehn weiteren Kollegen mich hier rausschleifen würde... Doch sie schüttelte verärgert den Kopf. »Gehen Sie zurück auf ihr Zimmer! Ihr nächtlicher Spaziergang wird noch ein Nachspiel haben!« Mit diesen Worten wies sie mich nach draussen und ich stand vor der Tür, statt dahinter. »Natürlich sind keine Nachtspaziergänge erlaubt...« murmelte ich genervt und trat meinen Rückweg an. Ein wenig musste ich aber dennoch insgeheim lächeln.

Aber wer sagt, das man es nicht noch ein zweites oder drittes Mal probieren könne? Wie erwartet bekam ich am nächsten Morgen meine Standpauke. Von einen der Oberärzte, den ich sowieso für einen aufgeblasenen Windbeutel hielt. Am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten, stattdessen schaltete ich auf Durchzug und ließ ihn reden. Schon längst hatte ich mir meine zweite Chance ausgemalt. Und diese wollte ich radikaler durchziehen, als letzte Nacht. »...Sie können nicht einfach durch das Krankenhaus spazieren. Noch dazu in ihren jetzigen Zustand!« bekam ich gerade noch einen Gesprächsfetzen mit. Fragend schaute ich den Arzt an. »Ähm... Ja. Klar. Kommt nicht wieder vor.« versprach ich. Hoffentlich war er bald fertig. Und mein Gebet wurde scheinbar erhört. Denn Augenblicke später kam eine Krankenschwester hineingestürmt, die völlig ausser Atem hervorbrachte: »D-Der junge Herr von der Intensivstation kommt wieder zu sich!« Ich glaubte zu wissen, bei wem es sich dabei handelte, ja, es musste sich dabei sogar um Liam handeln. Der Oberarzt wirkte für einen Moment verwirrt, und richtete seine volle Aufmerksamkeit auf eine seiner Kolleginnen. Das war meine Gelegenheit, um zu seinen Zimmer zu kommen. Ich sprang von meinen Bett, rannte so gut wie jede Person um, die sich mir in meinen Weg stellte, und wollte so schnell wie möglich in das Zimmer von Liam. Mir war jedes Mittel recht. Es muss wohl komisch auf Patienten und Besucher gewirkt haben; das ein Mädchen mit pinken Haaren und Infusionsbeutelgestell hinter sich herziehend, die Flure entlangrannte.

Gerade hatte ich die Türklinke von Liams Zimmer in der Hand, da, wurde ich unsanft an der Schulter nach hinten gerissen. Es handelte sich dabei genau um die gleiche Frau, mit der ich letzte Nacht das Vergnügen hatte. Und sie sah da noch mies gelaunter aus, als sonst. Eine Hand hatte ich noch frei, und mit der klammerte ich mich mit aller Kraft an die Türklinke. »Lassen-Sie-mich-einfach-los!« bettelte ich verzweifelt. Doch aus einer Person wurden gleich Mehrere! Um genau genommen, Drei. Und dabei handelte es sich um Krankenpfleger, die darauf getrimmt waren, störrische Personen wie mich, da wegzuziehen. Während des ganzen Gezetteres, wo auch der eine oder andere Fluch meine Lippen verließ, drückte ich unweigerlich die Klinke herunter und landete samt Personal und meinen inzwischen lieb gewonnen Drahtgestell im Zimmer. »Würdest du mir erklären, was das darstellen soll?« ertönte die Stimmte von Liam hinter mir.

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